Kategorie:Ordenskatechismus:Anhang:A-II
II. Die täglichen Übungen.
4. (Betrachtung.)
Um diese innige Vereinigung mit Gott aufrechtzuerhalten und immer mehr zu steigern, ist ein ununterbrochener Eifer im Betrachten notwendig. Daher nehme ich mir vor, niemals die Betrachtung zu unterlassen, die jeden Tag in unseren Klöstern angestellt zu werden pflegt. Ich will sogar alle Zeit, die mir von den Werken des Gehorsams übrigbleibt, ganz auf das betrachtende Gebet verwenden, ob ich mich auf Reisen befinde oder in einem Kloster. Ich werde mich dann in einen Winkel zurückziehen, um mich mit Gott zu vereinigen. Jede, auch noch so kurze Zeit, die ich darauf verwandt habe, mit Gott innerlich zu verkehren, will ich für sehr kostbar halten.
Wenn ich in den gewöhnlichen Betrachtungsstunden nicht bei der Klostergemeinde sein kann, weil ich mit Beichthören oder andern Angelegenheiten beschäftigt bin, werde ich mich gesammelt halten und alle Sorgfalt darauf verwenden, in dieser Zeit die Gegenwart Gottes nicht zu verlieren. Ich werde dabei, so gut ich vermag, die gewöhnlichen Punkte (es sind wohl die für jeden Tag der Woche festgesetzten Geheimnisse des Leidens Christi gemeint, von denen er sogleich spricht.)
Betrachten. Befinde ich mich auf Reisen oder auf dem Gang durch die Stadt, werde ich zur Zeit, in der die Mitbrüder im Chor betrachten, mit dem Gefährten Stillschweigen beobachten und gesammelt einhergehen.
Wenn ich mit den andern im Chor bin, werde ich die Betrachtung mit allen ihren Teilen verrichten, den Beifügungen (addizioni, z.B. Vorbereitungsgebet, Vorübungen...), Danksagungen und den Vorsätzen bezüglich irgend einer besondern Frucht. Wenn es gut geht, werde ich vorher den Betrachtungspunkt lesen. Falls dies nicht möglich ist, werde ich die Punkte des Leidens Christi betrachten, die für jeden Tag der Woche festgesetzt sind, nämlich am Montag das Gebet im Garten, am Dienstag die Geißelung, am Mittwoch die Dornenkrönung, am Donnerstag die Kreuztragung, am Freitag die Kreuzigung, am Samstag die schmerzhafte Mutter Gottes unter dem Kreuze, am Sonntag die Auferstehung des Herrn oder ein anderes Geheimnis.
Jedoch will ich dabei folgendes beachten: Wenn ich mich gesammelt und hingezogen fühle zu einem innigeren Verkehr mit Gott in dem Grunde meiner Seele in reinem Glauben, werde ich mich mit Freiheit des Geistes diesem Liebeszug überlassen. Ich werde mich dann mit einer liebetrunkenen und allgemeinen Erkenntnis Gottes begnügen, mittels derer ich mich mit Gott in Gott vereinigt zu halten suche. Wenn diese besondere Sammlung nicht da ist, werde ich zu den Wunden des Herrn zurückkehren.
Um darin recht sorgfältig zu sein, will ich in der Gewissenserforschung, die ich mittags und abends anstelle, eigens darüber nachdenken, wie die Betrachtung gegangen ist. Oft will ich daran denken, dass es in der Stunde des Todes große Gewissensbisse verursachen wird, wenn man so viele Stunden der Betrachtung schlecht zugebracht hat. Damit dies nicht eintreffe, will ich sie immer kniend verrichten, ohne mich je anzulehnen.
5. (Das göttliche Offizium).
Diese innere Sammlung und Vereinigung mit Gott muss ich in besonderer Weise erhalten zur Zeit des göttlichen Offizium. In dieser Zeit will ich mich bemühen, Jesus auf seinem Leidensweg zu begleiten, entsprechend der früher vorgenommenen Verteilung der Leidensgeheimnisse auf jede kirchliche Tageszeit (siehe Nr. 29). Beim Beginne will ich darüber wachen, dass nicht irgend ein zerstreuender Gedanke diesen heiligen innern Wandel meiner Seele mit Gott störe.
Wenn ich das Offizium außerhalb des Chores bete, werde ich es immer kniend und in aufrechter Haltung verrichten, ohne mich auf die Ferse zu stützen. Auch werde ich das Haupt unbedeckt lassen. Dabei werde ich im Anfang jeder Hore ein wenig einhalten, einen innern Blick auf Jesus richten, der in meinem Herzen gegenwärtig ist, und mir jenes Leidensgeheimnis vorstellen, das dieser Hore entspricht, damit ich sie in der oben erwähnten Sammlung beten kann.
6. (Heilige Messe und Kommunion.)
Mehr als bei jeder andern Handlung will ich mich bei der Feier der heiligen Messe befleißigen, gesammelt zu bleiben, weil diese die wichtigste von allem ist. Zu diesem Zwecke werde ich aufs äußerste darauf bedacht sein, jeden noch so kleinen zerstreuenden Gedanken auszuschlagen. Ich will andächtig auf den Sinn der Worte achten, sie mit innern Akten begleiten und vollständig aussprechen. Ich werde bei diesen heiligen Handlungen und Zeremonien nicht eilen.
Um mit reinem Herzen Messe zu lesen, werde ich zweimal im Tag beichten, nämlich morgens und abends, und zwar beide Mal so, als wenn es das letzte Mal wäre. Ich werde mich zum Empfang dieses Sakramentes der Buße vorbereiten mit vielen Akten der Reue, die ich in den Betrachtungen nach der Komplet und der Matutin erwecken will. Ich tue dies, um immer mehr die Gnade zu vermehren und mich auf den Empfang des im Sakrament gegenwärtigen Jesus vorzubereiten.
Ich erkläre, dass mein ganzes Leben eine beständige Vorbereitung und Danksagung dafür sein soll, dass ich Gott das erhabene Opfer seines heiligsten Sohnes darbringen darf. Deshalb soll all jenes Gute, das ich von der Komplet bis zum Morgen tue, als Vorbereitung auf die gute Feier der Messe und den guten Empfang des heiligsten Sakramentes dienen; das, was ich nach der heiligen Messe bis zur Komplet verrichte, soll als Danksagung gelten.
Bevor ich an den Altar trete, werde ich dreiunddreißigmal das Blut Jesu dem ewigen Vater aufopfern, damit meine Seele rein bleibe von jedem, auch dem geringsten Flecken und Fehler. Ich werde niemals, selbst nicht am hohen Osterfest, ohne Bußgürtel Messe lesen, zum Andenken an das Leiden Jesu, das in diesem heiligen Opfer vergegenwärtigt wird.
Nach der heiligen Messe werde ich mich innerlich gesammelt bei Jesus halten, werde seine heiligsten Füße küssen und ihm sowie die Engel und die allerseligste Jungfrau einladen, Gott für mich zu danken. Dann werde ich den Psalm „Exaudi“ und das Gebet „Die Seele Christi heilige mich“ und ähnliche verrichten, längere oder kürzere Zeit hindurch, je nach den Umständen.
7. (Der Beginn des Tages.)
Um jeden Tag diese heilige Übung der Vereinigung mit Gott von neuem zu beginnen und den ganzen Tag in diesem innern Verkehr meiner Seele mit dem höchsten Gute zuzubringen, werde ich mich am Morgen sofort nach dem Erwachen beim ersten Zeichen der Glocke auf den Boden knien und, hingeworfen in der Gegenwart Gottes, die heiligste Dreifaltigkeit mit tiefer Ehrerbietung anbeten. In dieser Stellung werde ich Kurz die gewohnten Akte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der Reue erwecken.
Darauf werde ich den Akt der Aufopferung machen, indem ich erkläre, alles an jenem Tage tun zu wollen in der reinen Absicht, Gott wohlzugefallen. Dann werde ich die Meinung machen, bei der heiligen Messe konsekrieren, beim Beichthören absolvieren und alle Ablässe gewinnen zu wollen, die ich gewinnen kann, zur Hilfe der armen Seelen. Ferner werde ich Gott alle heiligen Messen aufopfern, die an diesem Tage auf der ganzen Erde gelesen werden, für die heiligsten Seelen, die im Fegefeuer sind.
Nachdem ich dann einen kurzen Blick auf die Gewissenserforschung geworfen habe, die ich zur Zeit der Metten angestellt habe, werde ich den Akt der Reue erneuern, um mich auf die Beichte vorzubereiten. Darauf bitte ich die allerseligste Jungfrau um ihren Segen, grüße meinen Schutzengel, küsse den Boden und begebe mich zum Chor. Unterwegs bete ich ein Vaterunser und Gegrüßet seist du, Maria, um die heiligste Dreifaltigkeit zu bitten, das so erhabene Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis zum Glaubenssatz erklären zu lassen.
8. (Heilige Beichte.)
Im Chor angekommen, werde ich, wenn der Beichtvater noch nicht da ist, die genannten Akte erneuern, besonders die Reue, um in größerer Fülle das kostbare Blut Jesu in der heiligen Beichte zu empfangen. Diese werde ich jeden Morgen ablegen, als wenn es die letzte wäre. Ich werde daher Sorge tragen, mich zu einem großen Schmerz über meine Sünden zu erregen, einmal um sicher zu sein, ein so großes Sakrament mit Frucht zu empfangen, sodann auch um die heilige Messe mit reinem Herzen feiern zu können.
9. (Besondere Gewissenserforschung.)
Jeden Tag nach dem Mittagessen werde ich die besondere Gewissenserforschung anstellen über die Tugend, die in jener Woche zu üben ist, und zwar werde ich dies unweigerlich tun, an welchem Orte ich auch sein mag, auch außerhalb des Klosters. Jedoch werde ich nur kurze Zeit darauf verwenden. Darauf werde ich den Ablass für die verstorbenen Wohltäter gewinnen. (Gemeint ist der sog. Stationsablass, den man durch Verrichtung von sechs Vaterunser, Gegrüßet seist du Maria, und Ehre sei dem Vater gewinnt.)
Hauptsächlich werde ich mich erforschen, ob ich mich bis zu dieser Stunde im Glauben gesammelt und mit Gott vereinigt gehalten habe, damit ich nur ja den heiligen innern Wandel mit Gott pflege, den ich mir in den heiligen Übungen vorgenommen habe. Diese Gewissenserforschung werde ich immer anstellen, auch zur Zeit der Missionen, mag der Andrang der Geschäfte noch so groß sein.
10.(Geistliche Lesung.)
Jeden Tag werde ich ein wenig geistliche Lesung halten. Wenn keine andere Zeit da sein sollte, werde ich sie wenigstens vor der Komplet vornehmen, indem ich dann jede andere Arbeit ruhen lasse. Auf den Missionen will ich sie niemals vor dem Mittagessen unterlassen.
11. (Die allgemeine Gewissenserforschung.)
Jeden Tag werde ich die Gewissenserforschung über alle Handlungen jenes Tages anstellen, auch wenn ich mich außerhalb des Klosters befinde oder von vielen Geschäften umlagert bin. Vor allem werde ich darüber nachdenken, ob ich Gott darin treu gewesen bin, dass ich mich in Sammlung gehalten habe durch eine heilige Einkehr in mich selbst in reinem Glauben. Wenn ich finde, dass ich dagegen gefehlt habe, werde ich Akte aufrichtiger Reue und den Vorsatz erwecken, mich zu bessern. Niemals werde ich den Mut verlieren noch das Vorhaben aufgeben. Und wenn ich hundertmal gefallen wäre, ich werde mich bemühen, mich wieder zu erheben und mit größerem Eifer diese innere Vereinigung meiner Seele mit Gott aufzunehmen.
Auf den Missionen soll diese Gewissenserforschung am Abend vor dem Abendessen stattfinden. Darauf werde ich den Ablass gewinnen wie im Kloster.
12. (Tagesschluss.)
Jeden Abend, bevor ich mich zur Ruhe begebe, werde ich in Form einer Litanei alle meine heiligen Patrone anrufen, indem ich bete: Vor der „Herr, erbarme dich meiner.“ Ich werde sie alle in der Weise nennen, wie sie weiter unten angegeben werden. (Nr. 34)
Dann werde ich das gewohnte Gebet: „Beschütze, o Herr“, sprechen und darauf die Akte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der Reue erwecken, wie ich in der Todesstunde wünschen werde, sie erweckt zu haben. Ich werde mich daher bemühen, diese Akte mit voller Erfassung des Sinnes und ohne Eile vorzunehmen. Hierauf werde ich dem Herrn meine Seele empfehlen, indem ich dreimal spreche: „In deine Hände, o Herr“ usw. Dann werde ich den Psalm: „Aus der Tiefe rufe ich“ beten für meine Seele, damit ihn der Herr mir aufbewahre für die Zeit meines wirklichen Todes. Hierauf werde ich das Zimmer mit Weihwasser besprengen und dabei beten: „Engel Gottes“.
Alsdann werde ich mich zur Ruhe legen, wobei ich das Kreuz mit der Hand umfasse und mich innerlich mit Gott unterhalte, damit der erste Gedanke beim Erwachen sich sofort auf die unendliche Güte und Barmherzigkeit Gottes richte und ich ihn auch äußerlich anrufe mit den Worten: „Mein Jesus, Barmherzigkeit“, und damit ich sogleich den Faden jener heiligen Vereinigung wieder aufnehme, die das Ziel all meiner Handlungen sein soll im Leben und im Tode. Während des Schlafes werde ich immer ein Kreuz in den Händen halten.
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