Kategorie:Ordenskatechismus:Anhang:A-VI

VI. Die Übung der Tugenden.

36. (Die Übung der Tugenden im Allgemeinen.)
Ich will mir die göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe vertraut machen. Ich werde oft Akte dieser Tugenden erwecken, nicht allein zur Zeit des Gebetes, sondern zu jeder Zeit und an jedem Ort. Denn die innere Vereinigung mit Gott, die ich erstrebe, soll in nichts anderem bestehen als darin, meinen Verstand durch den Glauben und den Willen durch die Liebe mit dem höchsten Gut vereinigt zu halten und das Gedächtnis durch die Hoffnung, es auf ewig zu besitzen. Daher werde ich diese Akte sehr häufig erwecken. Ich will den Glauben in den obersten Teil des Verstandes, der die Spitze des Geistes ist, lebendig erhalten, um die geoffenbarten Wahrheiten wenigstens dunkel zu erkennen und fest zu glauben und mein ganzes Leben nach den Grundsätzen des Glaubens einzurichten. Wenn ich merke, dass dieses Licht des Glaubens schwächer wird, werde ich mich bemühen, es wieder durch neue Akte anzufachen. Ebenso will ich es mit der Liebe machen, die ihren Sitz im Willen hat. Diesen will ich mit beständigen Liebesanmutungen zu Gott in Tätigkeit halten.
Außerdem nehme ich mir vor, in besonderer Weise die Tugenden der Gottesverehrung, Demut, Reinheit, des Gehorsams, der Armut, Sanftmut, Bescheidenheit und der Liebe gegen den Nächsten zu üben. Sie sollen alle dazu dienen, die Liebe zu Gott in mir brennend zu erhalten.
Wie gesagt, nehme ich mir vor, diese Tugenden in besonderer Weise zu üben. Deshalb werde ich jeden Monat eine wählen, über die ich täglich nach dem Mittagessen die besondere Gewissenserforschung anstellen will, um zu sehen, wie ich mich zu ihr verhalte. Wenn ich Fehler finde, werde ich mir eine Buße auferlegen und neue Vorsätze fassen, sie aus dem ihr eigentümlichen Beweggrund heraus zu üben oder wenigstens aus dem allgemeinen Beweggrund des göttlichen Wohlgefallens. Dies wird nicht die Gewissenserforschung über die Tugend hindern, die jede Woche allen empfohlen und von allen geübt wird, da man mit ein wenig Eifer beides tun kann. (Der Heilige spielt hier wohl an eine Gepflogenheit an, die er während der zehn Jahre seiner Stellung als Hausoberer stets treu eingehalten hat und die auch in den Statuten der Ritiri aufgenommen wurde: jeden Sonntag vor der ganzen Klostergemeinde eine Konferenz über eine Tugend zu halten und diese allen Mitgliedern zur eifrigen Übung während der kommenden Woche zu empfehlen.)

37. (Die Gottesverehrung.)
Die Tugend der Gottesverehrung besteht darin, dass man Gott die Verehrung erweist, die ihm auf Grund seiner göttlichen Größe und höchsten Herrschaft gebührt.
Ich nehme mir vor, Gott diese Verehrung zu geben mit dem Geist, dem Herzen, dem Mund, dem Körper, durch die Übung aller Tugenden und durch die Beobachtung einer genauen klösterlichen Zucht in allen Dingen. Mit dem Geist, indem ich sehr hoch von der göttlichen Größe und sehr niedrig von meinem Nichts denke; mit dem Herzen, indem ich oft Akte des Lobes Gottes, der Bitte und des Dankes erwecke; mit dem Munde, indem ich mit Genauigkeit das göttliche Offizium verrichte; mit dem Körper, indem ich gewissenhaft die Verneigungen mache und alle, auch die kleinsten heiligen Rubriken und Zeremonien beobachte, vor allem bei der Feier der heiligen Messe; mit meinem ganzen Selbst, indem ich in tiefer Ehrfurcht die Majestät Gottes anbete. Wenn ich daher den Boden küsse, Weihwasser nehme, die Kreuze küsse, die Reliquien verehre und nach dem Essen danksage, werde ich alle diese Handlungen auf die Übung dieser vornehmsten Tugend der Gottesverehrung hinordnen. Ich will mich bemühen, diese auf das genaueste zu üben, und wenn ich erkenne, dass ich darin lau bin, werde ich darüber die Gewissenserforschung anstellen, um mich zu bessern.

38. (Demut.)
Zur Übung der Demut habe ich so viele Beweggründe, dass ich immer mit gesenktem Haupte einhergehen müsste, um alle Verachtung über mich ergehen zu lassen. Was das Äußere anbetrifft, bin ich ein ungesitteter Schwätzer, zerstreut, linkisch, Sohn eines armen Seemannes, plump und bäuerlich in allen meinen Handlungen. Außerdem bin ich sehr unwissend.
Was das Predigen anbetrifft, habe ich mehr von einem Komiker als von einem gottgeweihten Redner an mir. Was ich predige, ist mehr die Arbeit anderer als meine eigene, so dass es mir nach dieser Seite hin scheint, mich schämen zu müssen, in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Es genügt ferner ein Blick auf die ungeheure Last meiner sehr schweren Sünden. Ihretwegen, ja wegen einer von so vielen Sünden, die ich mit solcher Bosheit und so häufigen Rückfällen begangen habe, müsste ich unter Judas stehen. Ich kann in aller Wahrheit sagen, dass sich nicht nur nicht unter meinen Mitbrüdern, sondern auch nicht unter den Weltleuten jemand findet, der mir darin gleich wäre. Denn wenn sie auch einige Verbrechen begangen haben, die ich nicht getan habe, so haben sie diese doch nicht verübt mit solcher Bosheit und nach solcher Erleuchtung seitens Gott, wie es bei mir der Fall war. (Wenn die Heiligen so von ihren Fehlern sprechen, darf man weder an wirkliche Verbrechen und Todsünden denken noch ihre Sprechweise für übertrieben oder gar unwahrhaft halten. Sie erkennen eben im Lichte besonderer Gnaden die Größe und Heiligkeit Gottes und ihre eigene Sündhaftigkeit so klar, dass ihnen Fehler, die gewöhnliche Menschen kaum beachten, als schwere Vergehen und Verbrechen vorkommen.) Daher nehme ich mir nach aller Gerechtigkeit, Wahrheit und Aufrichtigkeit vor, stets das Haupt gesenkt zu halten und mich beständig vor Gott und den Menschen zu verdemütigen.
Erstens werde ich immer tun, was mir zur Verachtung gereicht, und ich werde wünschen, dass andere dasselbe tun. Zweitens werde ich immer sprechen, was mir zur Verachtung gereicht, und ich werde wünschen, dass andere dasselbe tun. Drittens werde ich aus Verachtung gegen mich niedrig von mir selbst denken und ich wünsche auch, dass die anderen das gleiche tun.
Aber weil dies der bitterste Bissen für meine verdorbene Natur ist, nehme ich mir mit der Gnade Gottes vor, diese Geringschätzung in allen Dingen zu umfassen. Ich will sie für das kostbarste dieses Lebens halten, weil sie so sehr von unserem Herrn Jesus Christus geschätzt wurde. Daher wünsche ich in Tat und Wort, öffentlich und privat verachtet zu werden. Weil sich aber dann, wenn dies eintrifft, der niedere Teil aufbäumt, da mein Stolz groß ist, nehme ich mir mit der Hilfe Gottes vor, sofort, wenn ich den Widerstand der Natur erkenne, einen Akt des Wohlgefallens zu erwecken über jene Verdemütigung, über die geringe Achtung und Hochschätzung, die man mir erweist. Dies werde ich in großen wie in kleinen Dingen tun. Deshalb werde ich gern all die geringsten Arbeiten des Klosters besorgen wie kehren, spülen, Holztragen und ähnliches. Nie werde ich zu meinem eigenen Lob sprechen, weder direkt noch indirekt. Wenn ich mich von anderen loben höre, werde ich einen Akt des Missfallens erwecken und darauf sehen, dass ich viele Aufgeblasenheit des Herzens unterdrücke. Ich werde dann die Hand an die Brust führen, sie auf das Kreuz legen und sofort sagen: „Mein Jesus, Barmherzigkeit.“
Weil diese heilige Tugend das Fundament des ganzen geistlichen Gebäudes ist, werde ich mich beim heiligen Gebete oft darüber erforschen, wie ich mich zu ihr verhalte. Denn ohne sie ist weder Friede noch Vereinigung mit Gott möglich.

39. (Herzensreinheit.)
Damit ich mir bezüglich der heiligen Herzensreinheit in keiner Weise Vorwürfe zu machen brauche, nehme ich mir mit Gottes Hilfe vor, mit entschiedenem und hochherzigem Willen jedem Entstehen eines gegenteiligen Gedankens entgegenzutreten. Ich werde nicht warten, bis er eindringt, sondern werde sofort meinen Geist zu Gott erheben und ihn mit irgend einem guten Gedanken ablenken. Um der Phantasie jede Gelegenheit zu unreinen Vorstellungen zu nehmen, werde ich niemals Frauen fest anschauen, sondern werde die Augen zu Boden senken, wenn ich ihnen auf der Straße oder sonst wo begegne. Wenn ich mit ihnen sprechen und sie dabei wegen ihres Ranges oder wegen eines andern guten Grundes vorübergehend anschauen muss, um nicht Ärgernis zu erregen oder als Sonderling zu erscheinen, werde ich es tun, ohne sie fest und mit Aufmerksamkeit anzublicken. Im Beichtstuhl werde ich mich vor unnützen Fragen hüten. Oberster Grundsatz soll sein, die Beichten der Frauen schnell zu erledigen und nicht lieber die eine als die andere hören zu wollen. Denn es ist klar, dass die entgegengesetzte Handlungsweise Ursache von sehr vielen Fehlern ist. Daher nehme ich mir vor, lieber Männer als Frauen beichthören zu wollen.
Wenn ich schließlich irgend einen Fehler gegen diese heilige Tugend der Herzensreinheit oder eine Lauheit in der Unterdrückung der bösen Neigungen oder etwas Ähnliches bemerke, werde ich es sofort dem geistlichen Vater offenbaren. In diesem Punkte werde ich nie etwas verheimlichen, auch nicht das Geringste, auch das nicht, was nicht wirklich Sünde ist, um jedem, auch dem geringsten bösen Anfang entgegenzutreten und Widerstand zu leisten. Ich werde vielmehr nach einer englischen Reinheit trachten und mit allem Ernst danach verlangen, niemals weder Regungen noch Versuchungen noch Träume zu haben. Ich werde oft und inständig die heiligste Jungfrau darum bitten.

40. (Armut.)
Um ein wahrer Minderbruder zu sein, muss ich eine ganz arme Armut lieben, d.h. eine Armut, die mit Unbequemlichkeiten und Mangel verbunden ist. Daher nehme ich mir vor, nichts zu meinem Gebrauch zu behalten. Abgesehen von Notwendigem wie Regelbüchlein, Bußgürtel und einem Kurzifix, das ich auf der Reise auf der Brust trage, und einem Bildchen der allerseligsten Jungfrau Maria von einfachem Papier, das auf Holz befestigt ist, will ich nichts anderes auf der Zelle haben als meine Schriftsachen und die Bücher der Bibliothek, die ich zum Studium benötige. Ich will weder Federmesser noch Schere noch Nähnadel haben. Wenn ich sie brauche, werde ich sie von einem Mitbruder erbitten und mich dabei freuen, dass mir etwas Notwendiges fehlt.
Ich werde immer gemäß der von der Regel gelassenen Freiheit einen geflickten Habit und Mantel tragen und mich freuen, dass das Kleid arm ist. Ich werde nie um ein neues bitten noch ein solches annehmen, wenn ich nicht vom heiligen Gehorsam dazu gezwungen werde. Ich werde es innen und außen mit Lappen flicken, wie es der heilige Vater Franziskus getan hat. Niemals werde ich einen Unterhabit tragen. Auch werde ich mich nicht des aus zwei größeren Tuchlappen bestehenden Untergewandes (pezze) bedienen, es sei denn auf Reisen und beim Predigen, um den Schweiß aufzufangen, zur Zeit der Mission, um die Stimme zu erhalten, und im Fall äußerster Kälte. Wenn aber diese Tätigkeiten und die besondere Not vorüber sind, werde ich das erwähnte Untergewand wieder weglassen. Dieses soll auch von demselben Stoff und derselben Farbe sein wie der Habit, aus Liebe zur heiligen Armut. Niemals werde ich mir von dem Bruder, der die Wäsche in Verwahr hat, ein Taschentuch geben lassen. Ich werde vielmehr eins bei mir behalten und es mit Rücksicht auf größere Ersparnis an Tuch und auch an Arbeit für den betreffenden Bruder selbst flicken und von Zeit zu Zeit waschen. Ich werde keine Sache für mich annehmen noch andern Andachtsgegenstände geben, auch nicht den kleinsten Rosenkranz oder sonst irgend eine Sache, weder innerhalb noch außerhalb des Klosters. Auch werde ich andern nicht sagen, dass sie etwas geben sollen. Auf den Missionen werde ich den Gedanken an all diese Dinge meinen Gefährten überlassen. Auf den Reisen werde ich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Klöster wünschen, dass mir die ärmsten Sachen gegeben werden. Ich werde auf gute Weise dem Mitbruder, der die Verteilung besorgt, zu verstehen geben, dass ich das für die höchste Gunst ansehe. Auch werde ich sehnlich danach verlangen, dass mir irgend etwas Notwendiges mangelt, und wenn einmal dies eintrifft, werde ich mich darüber sehr freuen. Auf Reisen werde ich lieber in die Häuser der Armen als in die der Reichen gehen, um die Wirkungen der heiligen Armut zu spüren. Ich werde die Oberen um Versetzung in ein anderes Kloster und um Wechsel der Zelle bitten, um keine Anhänglichkeit an irgend eine Sache zu haben. Ich werde mich bemühen, Widerwillen gegen feine Speisen und Getränke zu haben und werde auf keinen Fall die oben aufgestellten Vorsätze ändern. Vorbild meiner Lebensweise sollen die armen Landleute sein. Ich werde dahin streben, sie soviel ich kann nachzuahmen, und das um so mehr, als ich von armer Herkunft bin und es gegen die Ordnung verstieße, wenn ich anders handelte.
In der Krankheit werde ich keine Matratze zulassen noch irgend eine Sache zu meiner Erleichterung erbitten. Ich werde mich ganz der Anordnung des Oberen, Arztes und Krankenbruders überlassen.
Die Hauptsache aber ist, dass ich mich um eine wahre Armut im Geiste bemühe, dass ich an nichts hänge, weder an einer Sache noch an dem eigenen Leben noch an sonst einem Geschöpf, und dass ich so das Herz von allen Dingen freihalte.

41. (Gehorsam.)
Das Amt eines Oberen muss ich ansehen als einen Becher voll Gift. Einer der Gründe, davor zurückzuschrecken, liegt darin, dass dieses Amt mich leicht den großen Schatz des heiligen Gehorsams verlieren lässt. Daher werde ich mich, wenn ich Untergebener bin, in keiner Weise in die Leitung einmischen. Wenn ich um Rat gefragt werde, werde ich einfach und schlicht das angeben, was ich vor Gott als das Rechte erkenne. Es soll mir dann gleich sein, ob mein Rat befolgt wird oder nicht. Ich will für gewiss halten, dass alles, was vom Oberen angeordnet wird, immer das Beste ist. In dieser Weise werde ich mich bemühen, das eigene Urteil zu ersticken.
Um in der demütigsten Unterwürfigkeit zu leben, werde ich mich den Händen jenes Oberen, den der Herr mir gibt, überlassen, wie ein kleines Kind sich den Armen der Mutter überlässt, damit er mit mir tue, was ihm gefällt. Es soll mir ganz gleich sein, ob ich predige oder nicht, gehe oder stehe. Kurz, ich nehme mir vor, all das zu tun, was der Obere will, und in der Weise und Form, zu der Zeit und unter den Umständen, wie er es am liebsten hat, ohne je Ausreden zu gebrauchen. Seine Anordnungen und Worte will ich annehmen wie Anordnungen und Worte Gottes. In der Tat will ich ihn wie einen Gott auf Erden ansehen uns d als solchen ihm Hochachtung und Ehre erweisen. Niemals werde ich murren oder Kritik üben oder auf seine Worte und Handlungen aufpassen. Zum Zeichen der Unterwürfigkeit werde ich jedes Mal, wenn ich an seiner Zelle vorübergehe, das Haupt neigen. Wenn ich um irgend eine Erlaubnis bitte, werde ich mich hinknien und den Boden küssen. Ich werde ihm auf den ersten Wink gehorchen.
Ich nehme mir auch vor, auf dieselbe Weise auch all denjenigen zu gehorchen, die seine Stelle vertreten. Denn ich habe in den heiligen Übungen erkannt, dass dies zur Vollkommenheit führt und der richtige Weg ist, um zum Genusse des wahren Friedens und der wahren Vereinigung mit Gott zu gelangen.

42. (Sanftmut und Bescheidenheit.)
Was die Sanftmut und Bescheidenheit angeht, so habe ich diese Tugenden überaus notwendig. Die erste wird mir dazu dienen, die Regungen der Zornesleidenschaften zu zügeln, die zweite, die äußere Unordnung der Glieder zu verhüten. Ich erkenne, dass es nötig wäre, noch einmal das Noviziat zu beginnen, da ich in dieser Tugend so unvollkommen bin.
Daher nehme ich mir mit der Gnade Gottes vor, gegen alle sanftmütig zu sein, besonders beim Sprechen. Ich werde mich heftiger Worte enthalten und werde mich über niemanden aufregen, auch nicht wegen eines guten Zweckes. Ich werde mir alle Mühen geben, durch Gründe zu überzeugen. Beim Predigen werde ich niemals Schmähungen gebrauchen. Ich will alle mit Liebe und Güte behandeln, besonders meine Gegner. Um dahin zu gelangen, will ich wünschen, Gegner zu haben und verachtet zu werden. Ich will mich daran gewöhnen, mit leiser Stimme und sanft zu sprechen, weil ich weiß, dass der Herr diese Art des Benehmens liebt. Wenn ich dagegen fehle, werde ich mir sofort als Buße auferlegen, mit der Zunge auf der Erde ein Kreuz zu machen.
Dieselbe Mühe werde ich mir bei der Tugend der Bescheidenheit geben. Ich werde immer gesammelt einhergehen, sowohl im Kloster als auch in der Stadt. Immer werde ich die Hände in den Ärmeln halten und alle Glieder in andächtiger Haltung bewahren. Denn der Herr legt auch auf dieses äußere Wert, es trägt auch wunderbar dazu bei, das Herz mit Gott vereinigt zu halten. Daher mache ich den Vorsatz, mich daran zu gewöhnen, alles ohne Ungestüm und Heftigkeit, vielmehr mit Sanftmut des Herzens und äußerer Bescheidenheit zu tun. Jedes Mal wenn ich dagegen fehle, werde ich mich dessen vor meinem geistlichen Vater schuldig bekennen und mir eine Buße auferlegen lassen.

43. (Nächstenliebe.)
Ich nehme mir vor, die Nächstenliebe, die so sehr von unserem Erlöser eingeschärft wurde, innerlich zu üben, indem ich alle für besser halte als mich, ja sie wie meine Oberen achte und mich über ihr Wohl und Glück freue. Aber nicht nur innerlich will ich sie üben, sondern auch durch äußere Zeichen. Ich werde allen Liebe und Freundlichkeit erweisen und meiner allzu ernsten Natur Gewalt antun. Das werde ich besonders denen gegenüber tun, von denen ich bemerke, dass sie verwirrt, beunruhigt, versucht und traurig sind; ich werde sie mit liebevollen Worten trösten. Noch viel mehr werde ich die Liebe üben gegen die Kranken. Wenn ich im Kloster bin, werde ich sie wenigstens einmal im Tage besuchen, ihnen alle, auch die niedrigsten Dienste erweisen und sie mit liebevollen Worten trösten. Eine noch viel größere Güte werde ich zeigen, wenn ich verpflichtet bin, eine Ermahnung zu geben.
Weil die Anhänglichkeit an die eigene Meinung in der Vergangenheit die Quelle vieler Fehler gegen diese heilige Tugend gewesen ist, nehme ich mir mit der Gnade des Herrn vor, mich darin abzutöten. Nachdem ich meine Gründe dargelegt habe, werde ich demütig nachgeben, ohne je zu streiten, auch wenn mir meine Ansicht unzweifelhaft erschiene. Vor allem nehme ich mir vor, niemals Reden gegen die Liebe zu führen, auch nicht in kleinen Dingen und zu einem guten Zweck, auch nicht unter dem Vorwand, unser Ritiro zu verteidigen oder zu erheben.
Auch werde ich mich hüten, je einem andern zu hinterbringen, was ich Nachteiliges über einen Mitbruder höre. Nur mit demjenigen werde ich darüber sprechen, der Abhilfe schaffen kann und muss, und dies werde ich auch nur dann tun, wenn es sich nicht anders machen lässt.
Ich werde meine Brüder in der Seite Jesu sehen. Ich nehme mir vor, für alle ein gutes Herz zu haben. Ich werde mir Mühe geben, dieses mein Verlangen und meine gute Gesinnung gegen alle zu zeigen, sooft sich dazu Gelegenheiten bieten. Wenn irgend eine kleine Verstimmung vorkäme, so will ich – das ist mein Vorsatz – der erste sein, der sich verdemütigt.
Oft will ich mich an die Erleuchtung erinnern, die ich im Gebet empfangen habe, dass von der Übung einer wahren Nächstenliebe alles abhängt und dass ohne diese noch nicht einmal der Anfang von Vollkommenheit vorhanden sein kann.

44. (Seeleneifer.)
Um die heilige Liebe praktisch zu üben und in etwa die Liebe nachzuahmen, die der gute Jesus gegen die Seelen hegt, die er mit seinem kostbaren Blut erlöst hat, nehme ich mir vor, mich mit dem Segen der Oberen, solange es geht, der Abhaltung der heiligen Missionen zu widmen, um die Sünden zu verhüten und die Seelen zu Gott zurückzuführen. Dazu soll mich die Erwägung antreiben, wie viel der liebreichste Jesus für eine Seele getan und gelitten hat. Denn das, was er für alle getan hat, hätte er ganz genau für eine einzige getan.
Daher mache ich mit seiner Hilfe den Vorsatz, das Widerstreben zu überwinden, das mich jedes Mal überfällt, wenn ich zur Arbeit gerufen werde. Mit seiner Gnade nehme ich mir vor, niemals nein zu sagen, wenn ich von Prälaten oder Vom Volk gerufen werde, sofern nur die Oberen damit einverstanden sind. Ohne Erlaubnis der Oberen werde ich mich niemals um Fastenpredigten, Missionen oder eine andere Arbeit bewerben. Mit ihrer Erlaubnis dagegen werde ich mich nach Gelegenheiten umschauen, für das Wohl des Nächsten tätig zu sein.
Ich werde dabei keine Mühe scheuen, weder beim Beichthören noch beim Predigen, weder bei Tag noch bei Nacht. Ich werde um dessentwillen mich des Schlafes und der Ruhe berauben und auf Unannehmlichkeiten, Gefahren und weltliche Rücksichten nicht achten. Ich erkläre mich für völlig bereit, zur Verhütung einer einzigen Sünde Blut, Leben, Ehre und alles hinzugeben, ja mich in Stücke schneiden zu lassen, wenn nur Gott nicht beleidigt, sondern erkannt und geliebt wird.