Kategorie:Ordenskatechismus:Das goldene Buch:1-1
Mitwirkung Mariä bei der Menschwerdung
Mit der ganzen Kirche bekenne ich, dass Maria als Geschöpf aus der Hand des Allerhöchsten hervorgegangen im Vergleich zu seiner unendlichen Majestät geringer als ein Atom, ja geradezu ein Nichts ist. Denn Gott allein ist der, welcher das Sein aus sich selbst besitzt und infolgedessen der Allerhöchste ist, der allzeit unabhängig sich selbst genügt. Niemals bedurfte er der allerseligsten Jungfrau, noch bedarf er ihrer jetzt, um seine Absichten zu verwirklichen und seine Herrlichkeit zu offenbaren. Er braucht nur zu wollen, um alles zu vollbringen. Ich behaupte indessen, dass Gott, der in der ganzen Heilsordnung seine größten Werke durch die allerseligste Jungfrau seit ihrer Erschaffung beginnen und vollenden wollte, diese Ordnung sicherlich in alle Ewigkeit beibehalten wird; denn er ist Gott und ändert sich weder in seinen Absichten noch in seinem Handeln. Gott Vater hat seinen Sohn der Welt nur durch Maria geschenkt. Mochten die Patriarchen noch so lebhaft nach der Ankunft des Messias verlangen, mochten die Propheten und Heiligen des alten Bundes 4000 Jahre lang noch so innig darum flehen, Maria allein hat diesen Schatz verdient und Gnade gefunden vor Gott durch die Kraft ihres Gebetes und die Größe ihrer Tugenden. Die Welt war nicht würdig, sagt der hl. Augustinus, den Sohn Gottes unmittelbar aus den Händen des Vaters zu empfangen; Gott der Vater hat ihn Maria geschenkt, damit die Welt ihn aus ihrer Hand erhalte. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um uns zu retten, aber nur in Maria und durch Maria. Gott, der Heilige Geist, hat Jesus Christus in Maria gebildet, aber erst, nachdem er durch einen der ersten Diener seines Hofes ihre Zustimmung eingeholt hatte. Gott der Vater hat Maria teilnehmen lassen an seiner Fruchtbarkeit, soweit ein Geschöpf dessen fähig ist, um sie in den Stand zu setzen, seinen Sohn zu gebären und alle Glieder seines mystischen Leibes in sich zu bilden. Gott der Sohn stieg in ihren jungfräulichen Schoß hinab als neuer Adam in das irdische Paradies, um in ihr sein Wohlgefallen zu finden und seine geheimen Wunder der Gnade zu wirken. Als menschgewordener Gott fand er seine Freiheit darin, sich in ihrem Schoß zu verbergen. Seine Macht wollte er dadurch leuchten lassen, dass er sich von dieser bescheidenen Jungfrau tragen und pflegen ließ. Seine und seines Vaters Ehre fand er darin, seine Herrlichkeit vor allen Kreaturen hienieden zu verbergen, um sie Maria allein zu offenbaren. Seine Unabhängigkeit und Majestät verherrlichte der Gottmensch dadurch, dass er sich von dieser liebenswürdigen Jungfrau abhängig machte in seiner Empfängnis, in seiner Geburt, in seiner Aufopferung im Tempel und während seines dreißigjährigen verborgenen Lebens bis zu seinem Tode. Schließlich sollte sie auch bei seinem bitteren Leiden und Sterben an seiner Seite stehen, da er mit ihr ein und dasselbe Opfer ausmachen und nur mit ihrer Zustimmung dem himmlischen Vater geopfert werden wollte, wie einst auch das Opfer Isaak nach dem Willen Gottes von der Zustimmung Abrahams abhängig gemacht wurde. Maria ist es, die unseren Erlöser genährt, gepflegt, aufgezogen und für uns geopfert hat. O wunderbare und unbegreifliche Abhängigkeit eines Gottes, die der Heilige Geist im Evangelium nicht erwähnen konnte, ohne uns ihre Bedeutung und die unendliche Schönheit ihres Glanzes zu zeigen! Sonst hat er uns fast alle geheimnisvollen Wunder vorenthalten, welche die menschgewordenen Weisheit während ihres verborgenen Lebens gewirkt hat! Dieses Wunder konnte er uns nicht verschweigen. Denn Jesus Christus hat seinen himmlischen Vater durch seine dreißigjährige Unterwürfigkeit unter seine Mutter mehr verherrlicht, als wenn er durch die größten Wunder die ganze Welt bekehrt hätte. O wie hoch werden daher auch wir Gott verehren, wenn wir, um ihm zu gefallen, uns Maria unterwerfen nach dem Beispiel Jesu Christi, unseres höchsten Vorbildes! Wenn wir sodann das übrige Leben Jesu Christi ins Auge fassen, so sehen wir, dass er seine Wunder durch Maria beginnen wollte. Er hat den hl. Johannes im Schoße seiner Mutter Elisabeth durch das Wort Mariä geheiligt. Denn kaum hatte sie die Worte des Grußes Elisabeth gesprochen, da wurde Johannes von der Erbsünde gereinigt, und das war das erste und größte Wunder Jesu in der Ordnung der Gnade. Auf die demütige Bitte Mariä hin verwandelte er auf der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein, und das war sein erstes Wunder in der Ordnung der Natur. So hat er seine Wunder begonnen und fortgesetzt durch Maria, und er wird sie auch weiterhin durch Maria fortsetzen bis zum Ende der Zeiten. Gott der Heilige Geist, unfruchtbar in der Gottheit, insofern er keine andere göttliche Person hervorbringt, ist fruchtbar geworden durch Maria, welche er sich vermählt hat. Mit ihr, in ihr und von ihr hat er sein Meisterwerk hervorgebracht, welches ist der menschgewordenen Sohn Gottes. Auch heute noch bringt er in gleicher Weise die Auserwählten hervor und wird sie als Glieder jenes anbetungswürdigen Hauptes auch in Zukunft hervorbringen bis zum Ende er Zeiten. Je mehr er daher Maria, seine treue und unzertrennliche Braut, in einer Seele findet, um so mehr wird er Jesus Christus in dieser Seele und diese Seele in Jesus Christus hervorzubringen vermögen.
Selbstredend soll damit keineswegs gesagt sein, die heilige Jungfrau habe dem Heiligen Geist die Fruchtbarkeit erst gegeben, wie wenn er sie bis dahin nicht gehabt hätte. Als Gott besitzt er ja die Fruchtbarkeit und Schöpferkraft, ebenso wie der Vater und der Sohn, obwohl er sie nicht betätigt, insofern er keine andere göttliche Person hervorbringt. Es soll damit nur gesagt sein, der Heilige Geist betätige seine Fruchtbarkeit durch Vermittlung der allerseligsten Jungfrau, obwohl er ihrer nicht unbedingt bedarf, indem er in ihr und durch sie Jesus Christus und seine Glieder hervorbringt; ein Geheimnis der Gnade, das selbst die weisesten Geistesmänner nicht erfassen können.
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