Kategorie:Das goldene Buch:Geheimnis Mariae-2-2
Vorteile dieser Weihe
Viel Erleuchtung von oben hätte ich nötig, um die Vortrefflichkeit dieser Übung vollständig zu beschreiben. Ich will nur kurz sagen:
1. Sich in dieser Weise Jesus durch die Hände der allerseligsten Jungfrau als Leibeigener weihen, heißt Gott den Vater nachahmen, welcher seinen Sohn uns nur durch Maria gegeben hat und seine Gnaden uns nur durch Maria mitteilt. Auch Gott den Sohn ahmen wir nach, der nur durch Maria zu uns kam, und uns durch sein Beispiel auffordert, auf dem Wege durch Maria zu ihm zu kommen. Schließlich folgen wir auch dem Heiligen Geist, der seine Gnaden und Gaben uns nur durch Maria zuerteilt. Ist es da nicht gerecht, sagt der hl. Bernhard, dass die Gnade durch denselben Kanal zu ihrem Urheber zurückfließe, durch den sie zu uns gekommen ist?
2. In dieser Weise durch Maria zu Jesus gehen, heißt wahrhaft Jesus Christus ehren. Denn dadurch zeigen wir, dass wir uns wegen unserer Sünden nicht für würdig halten, seiner unendlichen Majestät unmittelbar und durch uns selbst zu nahen, und dass wir Maria, seine heilige Mutter, nötig haben, damit sie unsere Fürsprecherin und Mittlerin bei ihm sei, der wiederum unser Mittler beim Vater ist. Das heißt zugleich, sich ihm als unserm Mittler und Bruder nahen und sich vor ihm erniedrigen als vor unserem Gott und Richter, oder mit einem Worte, das heißt Demut üben, welche Gottes Herz stets entzückt.
3. Wer sich so Jesus durch Maria weiht, legt seine guten Handlungen in die Hände Mariä. Denn trotz ihres guten Scheines sind unsere Werke sehr oft befleckt und unwürdig der Annahme von Seiten Gottes, vor dem selbst die Sterne nicht rein erscheinen. Ach, bitten wir diese gute Mutter und Herrin, dass sie das armselige Geschenk unserer Handlungen reinige, heilige und verschönere, um es Gottes würdig zu machen. Alle Früchte unserer guten Werke sind vor Gott minderwertiger und weniger geeignet, uns seine Freundschaft und Gnade zu erwerben, als wenn ein armer Bauer seinem König die Pacht für sein Landgut mit einem wurmstichigen Apfel bezahlen wollte. Was würde dieser arme Mann wohl tun, wenn er verständig und bei der Königin in Gunst wäre? Würde er ihr nicht seinen Apfel geben, und würde nicht die Königin ihrerseits aus Güte gegen den Armen und aus Ehrerbietung vor dem König vom Apfel das Wurmstichige und Verdorbene entfernen, ihm zwischen Blumen auf einen goldenen Teller legen, um ihn so selbst dem König zu überreichen? Und könnte dann der König ihn anders als mit Freuden aus der Hand der Königin annehmen, welche diesem Landmann wohl will und Fürsprache für ihn einlegt? Modicum quid offerre desideras? Manibus Mariæ tradere cura, si non vis sustinere repulsam, „wenn du eine geringe Gabe Gott darzubringen wünschest, so übergib sie den Händen Mariä, wenn du nicht eine Zurückweisung erfahren willst“, sagt der hl. Bernhard. Ach Gott! Wie gering ist doch alles, was wir tun! Aber legen wir nur alles mittelst dieser Andacht in die Hände Mariä. Wenn wir uns ihr ganz schenken, so weit es geschehen kann, indem wir uns ihr zu Ehren alles Besitztums berauben, so wird sie gegen uns noch unendlich großmütiger sein und uns für ein Ei ein Huhn schenken. Sie wird sich uns völlig hingeben mit all ihren Verdiensten und Tugenden. Sie wird unsere Geschenke in die goldene Schale ihrer Liebe legen, wird uns bekleiden, wie Rebekka den Jakob, mit den schönen Kleidern ihres erstgeborenen und einzigen Sohnes Jesus Christus, d.h. mit den Verdiensten, welche zu ihrer Verfügung stehen. So werden wir als ihre Hausgenossen und Sklaven, welche ihr zu Ehren auf alles verzichtet haben, doppelte Kleidung besitzen: Omnes domestici eius vestiti sunt duplicibus: die Kleider und Kleinodien, die Verdienste und Tugenden Jesu und Mariä werden uns zu Verfügung stehen, mit denen wir uns als Sklaven Jesu und Mariä bekleiden können, nachdem wir uns unserer Armseligkeit entäußert haben.
4. Sich so der allerseligsten Jungfrau weihen, heißt im höchsten Grade die christliche Nächstenliebe üben, weil man Maria das Teuerste gibt, was man hat, damit sie nach ihrem Willen darüber zu Gunsten der Lebendigen und Toten verfüge.
5. Vermöge dieser Andacht bringt man auch seine Gnaden, Verdienste und Tugenden in Sicherheit, indem man sie Maria zur Bewahrung anvertraut und zu ihr spricht: „Siehe, meine gute Herrin, das ist das Gute, das ich mit der Gnade Deines Sohnes vollbracht habe. Ich bin nicht im Stande, es zu bewahren wegen meiner Schwäche und Unbeständigkeit, wegen der großen Zahl und Bosheit meiner Feinde, welche mich ohne Unterlass bedrängen. Ach, täglich sieht man Zedern des Libanon in den Staub fallen und Adler, welche sich bis zur Sonne erhoben, Nachtvögel werden. Tausend Gerechte fallen zu meiner Linken und zehntausend zu meiner Rechten. Himmlische und mächtige Fürstin, halte mich, damit nicht auch ich falle! Bewahre alle meine Güter, damit man sie mir nicht stehle! Ich lege alles, was ich habe, mit Vertrauen bei Dir nieder: Depositum custodi! – Scio cui credidi: ich weiß, wer Du bist, daher vertraue ich mich ganz Dir an. Du bist treu gegen Gott und gegen die Menschen und wirst nicht gestatten, dass etwas von dem verloren geht, was ich Dir anvertraue. Du bist mächtig, nichts kann Dir schaden und niemand Dir entreißen, was Du in den Händen hast. Ipsam sequens, non devias, ipsam rogans, non desperas: ipsam cogitans, non erras, ipsa tenente, non corruis, ipsa protegente, non metuis, ipsa duce, non fatigaris; ipsa propitia, pervenis (St. Bernhard). Und an einer anderen Stelle: Detinet Filium, ne percutiat; detinet diabolum, ne noceat; detinet virtutes, ne fugiant; detinet merita, ne pereant; detinet gratias, ne effluant. Das sind die Worte des hl. Bernhard, welche im wesentlichen das zusammenfassen, was ich soeben gesagt habe. Wenn dies der einzige Beweggrund wäre, um mich zu dieser Andacht zu ermuntern, dass sie nämlich das sichere Mittel ist, um mich in der Gnade Gottes zu erhalten und sie sogar in mir zu vermehren, so müsste ich schon deshalb für sie ganz Feuer und Flamme sein. 6. Diese Andacht macht die Seele schließlich wahrhaft frei in der Freiheit der Kinder Gottes. Da man aus Liebe zu Maria sich freiwillig zu ihrem Sklaven macht, so erweitert diese gute Herrin aus Erkenntlichkeit das Herz ihres Dieners, und lässt ihn mit Riesenschritten den Weg der Gebote Gottes gehen. Sie nimmt Überdruss, Traurigkeit und Skrupeln aus seinem Herzen hinweg. Das war die Andacht, welche unser Heiland die sel. Agnes von Jesus lehrte, als ein sicheres Mittel, um aus den großen Leiden und Verwirrungen herauszukommen, unter denen sie so lange gelitten hatte. „Mache dich zur Sklavin meiner Mutter!“ sprach Jesus zu ihr. Sie tat es und im Augenblick hörten ihre Leiden auf. Um alle dies Vorteile zu bestätigen, könnte ich hier noch anführen alle Bullen und Ablässe der Päpste, alle Hirtenschreiben von Bischöfen zu Gunsten unserer Andacht, ebenso die zu ihrer Ehre errichteten Bruderschaften, das Beispiel von mehreren heiligen und großen Personen, welche sie geübt haben; aber ich übergehe das alles stillschweigend.
Anmerkung: Heutzutage gebrauchen wir selbst das Wort „Knecht“ oft im Sinne von „Diener“. Das Wort „Sklave“ deckt sich daher nicht mehr mit dem Wort „Knecht“. Wir nehmen das Wort „Sklave“ hier im Sinne der alten Griechen und Römer, ohne damit den Gedanken ungerechter, gewalttätiger Unterdrückung zu verbinden.
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