Kategorie:Nachfolge Christi:4-1
(1) Mit welcher Ehrfurcht man Christus empfangen soll.
Die Stimme des Jüngers.
1. Dies sind Deine Worte, o mein Jesus, Du ewige Wahrheit! Obwohl sie nicht zu einer Zeit geredet und an einem Orte aufgezeichnet worden sind. Weil sie also Deine Worte und weil sie wahrhaft sind, so muss ich sie alle dankbar und getreu annehmen. Sie sind Dein und Du hast sie geredet; sie sind auch mein, weil Du sie zu meinem Heile geredet hast. Ich höre sie gern aus Deinem Munde, damit sie desto tiefer in mein Herz dringen. Diese so gütigen Worte, voll Süßigkeit und Liebe, ermuntern mich zum Vertrauen, aber meine Sünden erfüllen mich mit Furcht, und mein böses Gewissen hält mich vom Genusse dieses so hohen Geheimnisses zurück. Deine liebreichen Worte rufen mich, aber die Last meiner vielen Sünden drückt mich nieder.
2. Du befiehlst, dass ich mit Vertrauen zu Dir hintrete, wenn ich teil an Dir haben will, und dass ich die Speise der Unsterblichkeit genieße, wenn ich ewiges Leben und ewige Herrlichkeit zu erhalten verlange. „Kommet“, sagst Du, „kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, und Ich will euch erquicken“. O wie süß und freundlich ist dieses Wort in dem Ohre eines Sünders, da Du, mein Herr und Gott, einen Dürftigen und Armen zum Empfange Deines heiligsten Leibes einlädst. Aber wer bin ich, o Herr, dass ich mir getrauen sollte, Dir zu nahen? Der Himmel kann Dich nicht fassen und Du sagst: Kommet alle zu Mir?
3. Was willst Du mit dieser so gütigen Herablassung, mit dieser so liebreichen Einladung? Wie werde ich mir getrauen, zu Dir zu kommen, da ich mir nicht bewusst bin, Gutes getan zu haben, wodurch ich Anspruch auf diese Gnade machen könnte? Wie soll ich Dich in mein Haus einführen, da ich Dich so oft beleidigt und Dein liebreiches Angesicht betrübt habe? Die Engel und Erzengel bezeugen ihre Ehrfurcht, die Heiligen und Gerechten sind von Ehrfurcht durchdrungen und Du sagst: Kommet alle zu Mir! Wer würde es wohl glauben können, wenn Du, o Herr, es nicht Selbst sagtest? Und wer würde es wagen, hinzugehen, wenn es nicht Dein Befehl wäre?
4. Noah, jener gerechte Mann, brachte hundert Jahre mit dem Bau der Arche zu, damit er mit einigen wenigen gerettet würde, und ich, wie werde ich mich in der kurzen Zeit einer einzigen Stunde so zubereiten können, dass ich den Schöpfer der Welt mit Ehrfurcht und Andacht empfange? Moses, Dein großer Diener und geliebter Freund, baute die Bundeslade aus unverweslichem Holze, er überzog sie mit dem reinste Golde, um die Gesetztafeln darin aufzubewahren, und ich , ein verwesliches Geschöpf, soll mir getrauen, den Urheber des Gesetzes und den Geber des Lebens so leicht zu empfangen? Salomon, der weiseste aus den Königen Israels, verwendete sieben Jahre auf den Bau jenes herrlichen Tempels, welchen er zur Ehre Deines Namens aufgeführt hat, und feierte acht Tage lang die Einweihung desselben; er brachte tausend Friedensopfer und ließ feierlich die Bundeslade unter Trompetenschall und Freudengesang an die dazu bereitete Stätte bringen, und ich, einer der elendesten und ärmsten Menschen, wie kann ich Dich in meine Wohnung einführen, da ich kaum eine halbe Stunde in Andacht zubringen kann? O dass ich auch nur wenigstens einmal eine halbe Stunde würdig zugebracht hätte!
5. O mein Gott, wie vieles ließen sich jene kosten, damit sie Dir gefallen möchten! Und ach, wie gering ist das, was ich tue? Welch kurze Zeit wende ich an, wenn ich mich zum Tische des Herrn vorbereite! Ich bin selten vollkommen gesammelt und fast nie von aller Zerstreuung befreit. Wenigstens sollte mir, mein Gott, in Deiner heilsamen Gegenwart nicht einmal ein unanständiger Gedanke in den Sinn kommen, mein Herz soll von allen Geschöpfen frei sein, weil ich nicht einen Engel, sondern den Herrn der Engel in meinem Herzen aufnehmen will.
6. Und doch ist ein sehr großer Unterschied zwischen der Bundeslade samt allem, was sie enthielt, und zwischen Deinem reinsten Leibe samt Seinen unbeschreiblichen Vortrefflichkeiten, zwischen den Opfern des alten Bundes, welche die künftigen Geheimnisse nur vorbildeten, und zwischen dem wahren Opfer Deines Leibes, durch welches alle alten Opfer in Erfüllung gehen.
7. Warum entbrennt also nicht größerer Eifer in mir bei Deiner verehrungswürdigen Gegenwart? Warum bereit ich mich nicht mit größerer Sorgfalt zu, um Deine heiligen Geheimnisse zu empfangen, da doch jene alten heiligen Patriarchen und Propheten, Könige und Fürsten mit dem ganzen Volke bei dem Gottesdienste eine so große Inbrunst und Andacht zeigten?
8. Der gottselige König David tanzte vor der heiligen Bundeslade nach allen Kräften, indem er jener Wohltaten gedachte, welche einst den Vätern erwiesen wurden. Er ließ verschiedene Musikinstrumente machen, verfasste Psalmen und verordnete, dass sie mit Freuden gesungen werden sollten; er spielte oft selbst auf der Harfe, wenn er von der Gnade des Heiligen Geistes gerührt war; er lehrte das israelitische Volk Gott mit ganzem Herzen loben und täglich mit fröhlichem Munde preisen und verherrlichen. Wenn damals eine so große Andacht war und das Lob Gottes vor der Bundeslade mit so großem Eifer angestimmt wurde: welche Ehrfurcht und Andacht sollte nicht mir und dem ganzen christlichen Volke jetzt die Gegenwart des heiligsten Sakramentes und der Empfang des anbetungswürdigsten Leibes Jesu Christi einflößen?
9. Viele laufen an verschiedene Orte, um die Reliquien der Heiligen zu besuchen, und hören mit Verwunderung deren Taten erzählen, sie beschauen die prachtvollen Kirchen und küssen die in Gold und Seide gefassten Gebeine der Heiligen. Und siehe, Du, o mein Gott, Du Heiliger aller Heiligen, Du Schöpfer der Menschen und Herr der Engel, Du bist hier auf dem Altar gegenwärtig! Oft ist es nur menschliche Neugierde, solche Dinge zu sehen, welche man noch nie gesehen hat, der Reiz der Neuheit zieht an, gar oft aber kommt man nicht viel besser zurück, besonders wenn man ganz leichtsinnig herumläuft, ohne wahre Zerknirschung des Herzens. Hier aber, in dem heiligsten Sakramente des Altars, bist Du, o Jesus Christus, als Mensch und als Gott zugegen, hier empfängt man immer reichliche Frucht des Heiles, so oft man Dich würdig und mit Andacht empfängt. Zu diesem Geheimnis aber zieht uns kein Leichtsinn, keine Neugierde und keine Sinnlichkeit, sondern ein fester Glaube, andächtige Hoffnung und aufrichtige Liebe.
10. O Gott, Du unsichtbarer Schöpfer der Welt, wie wunderbar handelst Du mit uns? Wie liebreich und gnädig verfährst Du mit Deinen Auserwählten, denen Du Dich Selbst in dem heiligsten Altarssakramente als eine Seelenspeise zu genießen gibst? Dieses Geheimnis übersteigt allen Verstand, es zieht die Herzen der Andächtigen besonders an und entzündet in ihnen die Liebe. Denn diese wahren Gläubigen, welche beständig an der Besserung ihres Lebens arbeiten, erhalten durch den Genuss dieses heiligsten Sakramentes oft die Gnade einer inbrünstigen Andacht und die Liebe zur Tugend.
11. O wunderbare und verborgene Gnade dieses Geheimnisses, welches nur den getreuen Dienern Jesu Christi bekannt ist! Denn die Treulosen und die Sklaven der Sünde können sie nicht erfahren. Zu diesem Geheimnisse wird die geistliche Gnade mitgeteilt, die Seele erlangt wieder ihre verlorenen Kräfte, und ihre durch die Sünde entstellte Schönheit wird wieder hergestellt. Bisweilen ist dies Gnade so groß, dass durch die Fülle der verliehen Andacht nicht nur die Seele gestärkt, sondern auch der Leib neue Kräfte erlangt.
12. Es ist aber sehr zu bedauern und zu beweinen, dass wir aus Lauheit und Trägheit nicht eine größere Begierde haben, Christus zu empfangen, da doch alle, welche selig werden wollen, ihre ganze Hoffnung auf Ihn setzen und ihre Verdienste nur durch Ihn erhalten müssen. Denn Er ist unsere Heiligung und Erlösung; Er ist der Trost der noch auf Erden Lebenden; Er macht die ewige Seligkeit der Heiligen im Himmel aus. Es ist also sehr zu bedauern, dass viele dieses heilbringende Geheimnis, welches den Himmel mit Freuden erfüllt und die ganze Welt erhält, so wenig achten. Ach wie blind und hartherzig sind doch die Menschen, dass sie eine so unaussprechlich große Gnade nicht höher schätzen, ja durch den täglichen Gebrauch sogar in Unempfindlichkeit und Gleichgültigkeit verfallen!
13. Wenn dieses heiligste Geheimnis nur an einem Orte und von einem Priester gewandelt und geopfert würde: welch große Begierde würden nicht dann die Leute nach jenem Orte und zu jenem Priester haben, damit sie die göttlichen Geheimnisse feiern sehen könnten? Nun aber sind viele zur priesterlichen Würde erhoben, und Christus wird an vielen Orten geopfert, damit die Gnade und Liebe Gottes gegen die Menschen desto sichtbarer werde, je mehr der Genuss des heiligsten Abendmahls durch die ganze Welt verbreitet ist. Ewiger Dank sie Dir, gütigster Jesus, Du ewiger Hirt! Dass Du Dich gewürdigt hast, uns Arme und im Elende Schmachtende mit Deinem heiligsten Leibe und Deinem kostbaren Blute zu erquicken und zum Empfang dieses heiligsten Geheimnisses sogar selbst mit Deinen eigenen Worten einzuladen, indem Du sagtest: „Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, und Ich will euch erquicken.“
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