Kategorie:Das goldene Buch:3-5

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Besondere Übungen dieser Andacht


Äußere Übungen

Obwohl es das Wesen dieser Andacht das innerliche Leben der Seele erfasst und durchwirkt, gehören zu ihr doch auch einige äußere Übungen, die man nicht vernachlässigen darf: Hæc oportet facere et illa non omittere (Mt 23,23), „das eine soll man tun, das andere nicht unterlassen.“ Denn wenn die äußeren Übungen gut verrichtet werden, fördern und unterstützen sie die inneren. Der Mensch lässt sich aber nur zu gern von seinen Sinnen leiten, die ihn an das erinnern, was er getan hat oder tun soll. Schließlich dienen diese äußeren Übungen auch dazu, den Nächsten zu erbauen, was bei den rein inneren Übungen nicht der Fall ist. Möge deshalb kein Weltmensch oder Kritiker hier die Nase rümpfen und sagen, die wahre Andacht wohne im Herzen, das Äußerliche solle man meiden, weil sich dadurch leicht Eitelkeit einschleicht, seine Andacht solle man verborgen halten usw. Ich antworte ihnen mit meinem Meister: „Die Menschen sollen eure guten Werke sehen, auf dass sie euren Vater preisen, der im Himmel ist.“ Damit soll gewiss nicht gesagt sein, man müsse, wie der hl. Gregor bemerkt, seine Handlungen und äußeren Andachten verrichten, um den Menschen zu gefallen und deren Lob zu ernten, denn das wäre Eitelkeit. Man soll sie vielmehr mitunter vor den Menschen verrichten in der Absicht, Gott zu gefallen und dadurch zu seiner Verherrlichung beizutragen, ohne sich um den Tadel oder das Lob der Menschen zu kümmern. Ich werde nun in Kürze einige äußere Übungen anführen, wobei ich aber betonen will, dass sie nie ohne innere Teilnahme verrichtet werden dürfen. Ich nenne sie „äußere“ Übungen, weil sie etwas Äußerliches an sich haben, und sich daher von jenen unterscheiden, die rein innerlich sind.


Erste Übung: Vorbereitung auf die Ganzhingabe
(beispielhafte Anleitung im Anhang) Wer sich der Übung dieser besonderen Andacht widmen will, – eine Bruderschaft ist für sie noch nicht errichtet worden, obwohl dies sehr zu wünschen wäre, 2 – soll zunächst, wie ich schon im ersten Teil von der Vorbereitung auf das Reich Jesu Christi sagte, wenigstens zwölf Tage verwenden, um sich vom Geiste der Welt frei zu machen, der dem Geiste Jesu Christi entgegen ist. Alsdann soll er drei Wochen dazu verwenden, sich unter dem Beistande der allerseligsten Jungfrau mit dem Geiste Christi zu erfüllen. Hierbei kann man folgende Ordnung beobachten. Während der ersten Woche soll man alle seine Gebete und Werke der Frömmigkeit aufopfern, um sich die nötige Selbsterkenntnis und Reue über seine Sünden zu erflehen, und alles im Geiste der Demut tun. Hierbei kann man erwägen, was ich früher über unser verderbtes inneres Wesen gesagt habe, und sich während der sechs Tage dieser Woche nur als unreines Tier, als Schnecke, Kröte, Schwein, Schlange und Bock ansehen; oder man kann die drei Worte des hl. Bernhard betrachten: Cogita quid fueris, semen putridum; quid sis, vas stercorum; quid futurus sis, esca
Eine genauere Anleitung zur Vorbereitung auf die Ganzhingabe befindet sich im Anhang dieses Buches Der Wunsch des Heiligen ist erfüllt. Um diese vollkommene Andacht tatkräftig zu fördern, ist unter dem Titel „Maria, Königin der Herzen“, eine Bruderschaft errichtet, die schon zahlreiche Mitglieder hat und sich außerordentlich verbreitet.
vermium, „bedenke, was du gewesen bist, ein wenig Unflat; was du bist, ein Gefäß voll Unrat; was du sein wirst, eine Speise der Würmer.“ Man soll ferner den Heiland und den Heiligen Geist um Erleuchtung bitten mit den Worten: Domine fac, ut videam, „mach‘, o Herr, dass ich sehe“, oder Noverim me, „möchte ich mich selbst erkenne“, oder Veni, Sancte Spiritus, „komm‘ Heiliger Geist“, und soll alle Tage die Litanei vom Heiligen Geist und das Gebet, welches im ersten Teil diese Werkes aufgezeichnet ist (Gebet des Hl. Augustinus; Erster Teil / Zweites Kapitel / 1. Artikel / 1. Wahrheit), beten. Man soll schließlich zur allerseligsten Jungfrau seine Zuflucht nehmen und sie um die Gnade der Demut, Selbsterkenntnis und Reue bitten. Denn dies ist die Grundlage aller anderen Tugenden. Alle Tage bete man daher das Ave maris stella (Ave, Stern der Meere) und die Lauretanische Litanei. Während der zweiten Woche soll man sich bei seinen täglichen Gebeten und Werken bemühen, die heiligste Jungfrau kennen zu lernen und wiederum den Heiligen Geist um diese Erkenntnis bitten. Man kann dabei das lesen und betrachten, was ich über die Mitwirkung der allerseligsten Jungfrau bei der Erlösung gesagt habe (Erster Teil / Erstes Kapitel). Ebenso wie in der ersten Woche soll man die Litanei vom Heiligen Geist, das Ave maris stella, außerdem täglich den Psalter oder wenigsten einen Rosenkranz in dieser Absicht beten. Die dritte Woche soll man dazu verwenden, Jesus Christus kennen zu lernen. Dabei kann man lesen und betrachten, was ich darüber gesagt habe (Erster Teil / Zweites Kapitel / 1. Artikel), und das Gebet des hl. Augustinus verrichten. Mit demselben Heiligen soll man sprechen und hundertmal des Tages wiederholen: Noverim te, „o Herr, möchte ich Dich erkennen!“ Domine fac, ut videam, „Herr, lass mich sehen, wer Du bist!“ Wie in den vorhergehenden Wochen möge man die Litanei vom Heiligen Geiste und das Ave maris stella beten und täglich noch die Litanei vom heiligsten Namen Jesu hinzufügen. Am Schlusse der drei Wochen soll man beichten und kommunizieren und zwar in der Absicht, sich durch die Hände der allerseligsten Jungfrau dem Heiland als Sklaven der Liebe zu schenken. Nach der heiligen Kommunion, die tunlichst in der weiter unten dargelegten Weise empfangen werden soll, möge man die Weiheformel sprechen, die unten zu finden ist. Man möge diese Formel, falls sie nicht besonders gedruckt ist, schreiben oder abschreiben lassen und an dem Tage, an dem man die Weihe vornimmt, unterschreiben. Es würde sich gleichfalls empfehlen, wenn man an diesem Tage aus Liebe zu Jesus und der allerseligsten Jungfrau irgendein besonderes gutes Werk verrichten würde, sei es zur Buße für frühere Untreue gegen das Taufgelöbnis, sei es, um dadurch der vollständigen Abhängigkeit von Jesus und Maria Ausdruck zu geben. Dieses Werk möge sich nach der Andacht und Fähigkeit jedes einzelnen richten, z.B. ein Fasten, eine Abtötung, ein Almosen, eine Kerze. Selbst wenn man zum Zeichen seiner Huldigung auch nur eine Nadel oder einen Pfennig mit gutem Herzen geben würde, so wäre es für Jesus genug, der ja nur auf den guten Willen sieht. Alle Jahre soll man wenigstens einmal und zwar am nämlichen Tage die gleiche Weihe erneuern und dieselben Andachtsübungen drei Wochen hindurch vornehmen. Besser ist es, man erneuert alle Monate, ja alle Tage seine Hingabe mit den kurzen Worten: Tuus totus ego sum et omnia mea tua sunt, „ ich bin ganz Dein und all das Meinige ist Dein, o mein liebenswürdigster Jesus, durch Maria, Deine heiligste Mutter!“

Zweite Übung: Die kleine Krone

Alle Tage ihres Lebens sollen die Diener Mariä, ohne sich aber einen Zwang aufzuerlegen, die kleine Krone der allerseligsten Jungfrau beten, die aus drei Vaterunsern und zwölf Ave besteht zu Ehren der zwölf Vorrechte und Vorzüge der allerseligsten Jungfrau. Diese Übung ist sehr alt und ist sogar schon in der Heiligen Schrift begründet. Der hl. Johannes sah eine Frau, gekrönt mit zwölf Sternen, bekleidet von der Sonne und den Mond zu ihren Füßen. Diese Frau ist nach den Schriftauslegern die allerseligste Jungfrau. Es gibt mehrere Arten, die kleine Krone gut zu beten, so dass es zu weit führen würde, sie hier genauer anzugeben. Der Heilige Geist wird sie schon jene lehren, die in dieser Andacht am treuesten sind. Um nur das Wesentlichste zu sagen, soll man zunächst beten: Dignare me laudare te, Virgo sacrata, da mihi virtutem contra hostes tuos, „würdige mich, Dich zu loben, o geheiligte Jungfrau, gib mir Kraft gegen Deine Feinde!“ Dann folgt das apostolische Glaubensbekenntnis, ein Vaterunser, vier Ave und das Ehre sei Gott und so dreimal nacheinander. Am Schluss betet man: „Unter Deinen Schutz und Schirm.“


Dritte Übung: Das Tragen von Kettchen und Medaillen

Für diejenigen, die sich durch den Weiheakt zu Sklaven Jesu und Mariä gemacht haben, ist es sehr lobenswert, segensreich und nützlich, zum Zeichen ihrer Knechtschaft aus Liebe kleine Kettchen von Eisen zu tragen, die mit einer eigenen Benediktion geweiht sind.3 Diese äußeren Zeichen sind aber nicht wesentlich; man kann sie sehr wohl unterlassen, auch wenn man diese Andacht angenommen hat. Gleichwohl kann ich es nur loben, ein solches äußeres Zeichen zu tragen. Nachdem man die schändlichen Ketten der Knechtschaft des Teufels gebrochen, in welchen uns die Erbsünde und die persönlichen Sünden gefesselt hielten, hat man begreiflicherweise das Bedürfnis, sich freiwillig in die glorreiche Knechtschaft Jesu Christi zu stellen und sich mit dem hl. Paulus zu rühmen, für Christus in Ketten zu sein, in Ketten, die, obschon aus Eisen und ohne Glanz, doch tausendmal herrlicher und kostbarer sind, als die goldenen Halsketten der Herrscher. Mag es ehedem auch nichts Entehrenderes gegeben haben, als das Kreuz, so ist doch jetzt dieses Zeichen in der Christenheit zu einem Zeichen des Sieges und der Ehre geworden. Das gleiche können wir von den Sklavenketten sagen. Bei den alten Völkern und jetzt noch unter den Heiden gab es nichts Schimpflicheres als Ketten zu tragen; unter den Christen gibt es aber nichts Rühmlicheres, als diese Ketten Jesu Christi, weil sie uns befreien und bewahren vor den abscheulichen Banden der Sünde und des Teufels, weil sie uns die Freiheit geben und uns an Jesus und Maria fesseln nicht durch Zwang und Gewalt wie Verbrecher, sondern durch Liebe wie Kinder. Traham eos in vinculis caritatis (Hos 11,4), „ich werde sie an mich ziehen mit Ketten der Liebe“, sagt Gott durch den Mund des Propheten, mit Ketten, die so stark sind wie der Tod, ja in gewissem Sinne noch stärker, nämlich für jene Seelen, die treu bis zum Tode diese ehrenvollen Zeichen tragen. Denn wenn auch der Tod ihren Leib zerstört und der Verwesung anheimgibt, so wird er doch die Bande dieser Knechtschaft nicht zerstören, die, weil stärker als Eisen, nicht leicht vernichtet werden können. Jedenfalls werden am Tage der Auferstehung beim großen letzten Gerichte diese Ketten, die noch ihre Gebeine umschlingen, einen Teil ihrer Glorie bilden und in Ketten von Licht und Glorie verwandelt werden. Glücklich also, ja tausendmal glücklich die erlauchten Sklaven Jesu in Maria, die ihre Ketten bis zum Grabe tragen. Weshalb trägt man aber diese Kettchen? Zunächst, um sich selbst immer wieder an die Gelübde und Verpflichtungen seiner Taufe und an deren vollkommene Erneuerung zu erinnern, die man durch diese Andacht vollzogen hat und an die strenge Pflicht, jene Versprechen treu zu erfüllen. Da der Mensch sich oft mehr von seinen Sinnen als vom Glauben leiten lässt und daher leicht seine Pflichten gegen Gott vergisst, wenn ihn kein äußerer Gegenstand daran erinnert, so werden diese kleinen Kettchen dazu dienen, den Christen zunächst eindringlich an die Fesseln der Sünde und die Knechtschaft des Teufels zu erinnern, von denen ihn die heilige Taufe befreit hat. Sie werden ihn ferner auf seine Abhängigkeit von Christus hinweisen, die er in der Taufe gelobt und durch seinen Weiheakt erneuert hat. Gerade deswegen denken wohl so wenige Christen an ihre Taufgelübde und leben in so großer Ungebundenheit wie die Heiden, gleich als hätten sie Gott nichts versprochen, weil sie kein äußeres Zeichen bei sich tragen, das sie stets daran erinnern könnte. Weiterhin sollen jene Kettchen andeuten, dass man sich der Knechtschaft und Dienstbarkeit Jesu Christi nicht schäme, und der verhängnisvollen Knechtschaft der Welt, der Sünde und des Teufels entsagt habe. Schließlich sollen sie uns davor sichern und bewahren, sie wiederum mit den Ketten der Sünde und des Teufels zu vertauschen. Denn eins von den beiden ist nur möglich: entweder tragen wir die Ketten der Sünde oder die Ketten der Liebe und des Heiles. Vincula peccatorum aut vincula caritatis. Geliebter Bruder, brechen wir die Ketten der Sünden und der Sünder, der Welt und der Weltkinder, des Teufels und seiner Anhänger, und werfen wir dieses unheilvolle Joch weit von uns! Dirumpamus vincula eorum et projiciamus a nobis jugum ipsorum (Ps 2,3). Legen wir unsere Füße, um einen Ausspruch des Heiligen Geistes zu gebrauchen, in Jesu und Mariä ruhmvolle Fesseln und unseren Hals in ihre Ketten: Injice pedem tuum in compedes illius et in torques illius collum tuum (JSir 6,25). Beugen wir unsere Schultern und tragen wir die Weisheit, welche ist Jesus Christus, und lassen wir uns unsere Ketten nicht verdrießen: Subjice humerum tuum et porta illam et ne acedieris vinculis eius (JSir 6,25). Beachte wohl, dass der Heilige Geist, bevor er diese Worte sagt, die Seele mahnend daran erinnert, seinen wichtigen Rat nicht zurückzuweisen: Audi, fili, et accipe consilium intellectus et ne abjicias consilium meum (JSir 6,24), „höre, mein Sohn, und nimm einen klugen Rat an und verwirf meinen Rat nicht!“ Sicherlich wünschest du, lieber Freund, dass ich mich mit dem Heiligen Geist vereinige, um dir denselben Rat zu erteilen: Vincula illius alligatura salutaris (JSir 6,31), „seine Ketten sind Ketten des Heils!“ Da Jesus Christus am Kreuze alle an sich ziehen muss, ob sie wollen oder nicht, so wird er die Verdammten mit den Ketten ihrer Sünden herbeiziehen, um sie als Verbrecher und Teufel an seinen ewigen Zorn und an seine rächende Gerechtigkeit zu fesseln. Die Auserwählten aber wird er besonders in diesen letzten Zeiten mit Ketten der Liebe an sich ziehen: Omnia traham ad meipsum (Joh 12,32). Traham eos in vinculis caritatis (Hos 11,4). Diese Sklaven oder Gefesselten Christi aus Liebe, vincti Christi, können ihre Ketten an ihrem Halse, oder ihrem Armen, oder um ihre Lenden, oder an ihren Füßen tragen. Pater Vinzenz Caraffa, der siebente General der Gesellschaft Jesu, der im Jahre 1643 im Rufe der Heiligkeit starb, trug als Zeichen seiner Knechtschaft einen eisernen Reifen an seinem Fuße und sprach sein Bedauern aus, dass er diese Kette nicht öffentlich tragen könne. Die selige Mutter Agnes von Jesus, die wir schon erwähnten, trug eine eiserne Kette um ihre Lenden. Einige andere haben sie am Hals getragen, um Buße zu tun für die Perlenketten, mit denen sie sich in der Welt geschmückt hatten. Wieder andere trugen sie an ihren Armen, um sich bei ihren Handarbeiten zu erinnern, dass sie Sklaven Christi seien.


Einige Dekrete der römischen Kongregation scheinen den Gebrauch dieser Kettchen verworfen zu haben. In jenen Bestimmungen findet sich aber nichts, wodurch dem einzelnen diese Übung verboten wäre, besonders, wenn er ein solches Kettchen trägt als Symbol, als Zeichen der Knechtschaft Jesu in Maria, worin ja eigentlich das Wesen der Andacht des hl. Grignion von Montfort besteht. (Vgl. Analecta Juris Pont. 1. Ser. Kol. 757). Das Tragen geweihter Kettchen ist jetzt nicht mehr im Gebrauch. Ein Ersatz dafür ist die Bruderschaftsmedaille oder die Wunderbare Medaille.


Vierte Übung: Eine besondere Verehrung für das Geheimnis der Menschwerdung
Die wahren Diener Mariä werden mit besonderer Andacht das große Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Wortes, am 25. März feiern. Dieser Tag bringt uns den eigentlichen Inhalt dieser Andacht so recht zum Verständnis, die ebenso wie die Menschwerdung selbst in ganz besonderer Weise dem Heiligen Geiste zuzuschreiben ist. Jenes Fest wird ihnen daher vor allem heilig sein und sie veranlassen, die unergründliche Abhängigkeit von Mariä zu bewundern, welche der Sohn Gottes zur Ehre Gottes, seines Vaters, und zu unserem Heile gewählt hat. Sie werden es als das größte Glück betrachten, den Sohne Gottes soweit als möglich nachzuahmen, der trotz seiner unendlichen Majestät und Würde sich im Schoße Mariä zu ihrem Gefangenen und Sklaven machte, um in allem von ihr abhängig zu sein. Sie werden schließlich an diesem Tage Gott für die unvergleichlichen Gnaden danken, die er Maria erwiesen hat und besonders dafür, dass er sie zur überaus würdigen Mutter seines eingeborenen Sohnes erwählte, der von seiten des Menschengeschlechtes die tiefste Verehrung gebührt. Man beachte wohl den Ausdruck: der Sklave Jesu in Maria, oder der Sklave Mariä in Jesus. Mit Recht kann man aber auch sagen, wie es bisher mehrere getan: der Sklave Mariä, die Knechtschaft der heiligen Jungfrau. Indes glaube ich, dass man sich besser Sklave Jesu in Maria nennt, wie auch Tronson, der wegen seiner seltenen Klugheit und vollendeten Frömmigkeit weithin bekannte Leiter des Seminars von St. Sulpice einem Geistlichen empfahl, der ihn über diesen Gegenstand befragte. Die Gründe hierfür sind folgende:
1. Da wir in einem Zeitalter geistigen Hochmutes leben, gibt es eine große Anzahl aufgeblasener Gelehrter, hocherfahrener, kritischer Geister, welche selbst an den bestbegründeten und bewährtesten Andachtsübungen stets etwas auszusetzen finden. Um ihnen nicht ohne Not Gelegenheit zur Kritik zu geben, ist es besser, zu sagen: die Knechtschaft Jesu Christi in Maria und sich Sklave Jesu Christi zu nennen als Sklave Mariä, indem man diese Andacht lieber nach ihrem letzten Ziel, Jesus Christus, bezeichnet, als nach dem Weg oder Mittel, nämlich Maria, durch das man zu jenem Ziel gelangt. Gleichwohl kann man ohne Bedenken die eine oder die andere Beziehung zum Ausdruck bringen, wie ich es tue. So kann z.B. ein Mann, der von Orleans über Amboise nach Tours reist, doch ebenso gut sagen, dass er nach Amboise als dass er nach Tours reist, nur mit dem Unterschied, dass er mit Amboise den Weg angibt, den er einschlägt, um nach Tours zu gehen, während Tours sein letztes Ziel und der Endpunkt seiner Reise ist.
2. Da das vorzüglichste Geheimnis, das man bei dieser Andacht feiert und verehrt, das Geheimnis der Menschwerdung ist, bei welchem man Jesus nur in Maria schauen kann, wie er in ihrem Schoße Fleisch annimmt, so spricht man richtiger von der Knechtschaft Jesu in Maria, oder von Jesus, der in Maria thront und herrscht, nach dem schönen Gebete so vieler großer Männer: O Jesus, der Du in Maria lebst, komm und lebe in uns, mit Deinem Geiste der Heiligkeit, mit der Fülle Deiner Kraft, mit der Wahrheit Deiner Tugenden, mit der Vollkommenheit Deiner Wege, mit der Fülle Deiner Geheimnisse; herrsche über alle feindlichen Mächte in Deinem Geiste zur Ehre Deines Vaters. Amen.
3. Jene Ausdrucksweise zeigt schließlich auch besser die innige Verbindung, welche zwischen Jesus und Maria besteht. Beide sind so innig vereinigt, dass der eine ganz im andern ist: Jesus ist ganz in Maria und Maria ist ganz in Jesus, oder vielmehr, Maria ist nicht mehr, sondern Jesus ist ganz allein in ihr, und man könnte eher das Licht von der Sonne trennen als Maria von Jesus. Deshalb kann man unseren Herrn Jesus von Maria und die allerseligste Jungfrau Maria von Jesus nennen. Da die Zeit mir nicht gestattet, hierbei noch länger zu verweilen, um die Erhabenheit und Größe des in Maria lebenden und herrschenden Jesus oder die Größe des Geheimnisses der Menschwerdung des ewigen Wortes zu erklären, so will ich mich damit begnügen, dieses erste Geheimnis Jesu Christi mit drei Worten als das verborgenste, das erhabenste und das am wenigsten bekannte zu bezeichnen. Das verborgenste, denn in diesem Geheimnis hat Christus im Schoße Mariä und in Übereinstimmung mit ihr alle Heiligen vorherbestimmt, weswegen der heilige Leib Mariä auch die aula sacramentorum, der Saal der Geheimnisse Gottes, genannt wird. Das erhabenste Geheimnis, da in ihm alle andere Geheimnisse seines Lebens enthalten sind, deren Erfüllung er schon bei seinem Eintritt in diese Welt freiwillig übernahm. Denn Jesus ingrediens mundum dicit: Ecce venio ut faciam voluntatem tuam etc. (Hebr 10,5ff). „Darum spricht Jesus bei seinem Eintritt in die Welt: Siehe, ich komme, zu vollbringen, Gott, Deinen Willen.“ Daher kann dieses Geheimnis auch kurz der Inbegriff aller Geheimnisse genannt werden, da es den Willen und die Gnade zu allen einschließt. Es ist schließlich auch das am wenigsten bekannte Geheimnis, denn es ist, was die wenigsten ahnen, der Thron der Barmherzigkeit, der Freigebigkeit und der Ehre Gottes. Es ist der Thron der Barmherzigkeit für uns, denn gerade an diesem Feste erkennen wir, dass wir uns Jesus nur durch Maria nähern, nur durch ihre Vermittlung Jesus sehen und sprechen können. Und Jesus, der seine geliebte Mutter allezeit erhört, gewährt hier auch allezeit den armen Sündern seine Gnade und Barmherzigkeit: Adeamus ergo cum fiducia ad thronum gratiæ (Hebr 4,16), „lasst uns also mit Vertrauen zum Throne der Gnade hinzutreten.“ Dieses Geheimnis der Menschwerdung des Sohne Gottes ist auch der Thorn der Freigebigkeit des Allerhöchsten in Maria. Denn während Christus als der neue Adam in diesem wahren irdischen Paradies wohnte, wirkte er an Maria dort so viele verborgene Wunder der Gnade, dass weder Engel noch Menschen sie begreifen können. Deshalb nennen die Heiligen Maria die „Herrlichkeit Gottes“: Magnificentia Dei, gleich als ob Gott nur in Maria Herrliches vollbringe. Solummodo ibi magnificus Dominus (Jes 33,21). Dieses Geheimnis ist endlich auch der Thron der Ehre für Gott, den Vater, weil Jesus Christus in Maria seinen gegen die Menschen erzürnten Vater vollkommen versöhnt. Die Ehre, welche ihm die Sünde geraubt hat, ersetzt er ihm vollkommen und erweist durch das Opfer seines Willens und seiner selbst ihm mehr Ehre, als alle Opfer des alten Bundes ihm hätten geben können, ja eine unendliche Ehre, welche ihm sonst kein Mensch erwiesen hat und erweisen könnte.


Fünfte Übung: Eine große Andacht zum Ave Maria und zum hl. Rosenkranz
Die wahren Diener Mariä werden mit Vorliebe das Ave Maria oder den englischen Gruß beten, dessen Wert, Verdienstlichkeit, Erhabenheit und Notwendigkeit nur wenige Christen kennen. Die allerseligste Jungfrau ist mehrmals erleuchteten, großen Heiligen erschienen ausdrücklich zu dem Zweck, um ihnen den Wert dieses Gebetes zu offenbaren, wie z.B. dem hl. Dominikus, dem hl. Johanes Capistran, dem sel. Alanus de la Roche u.a. Diese haben daraufhin ganze Bücher verfasst über die Wunder und die Wirksamkeit dieses Gebetes für die Bekehrung der Seelen. Sie haben es laut verkündigt und öffentlich gepredigt, dass das Heil der Welt mit dem Ave Maria seinen Anfang nahm, sodass auch das Heil jedes einzelnen von diesem Gebete abhängt. Dieser Gruß beschenkte die dürre und unfruchtbare Erde mit der Frucht des Lebens, und gut gebetet, lässt es auch heute noch in unserer Seele das Wort Gottes Wurzel fassen und bringt in ihr die Frucht des Lebens, Jesus Christus, hervor. Das Ave Maria ist ein Himmelstau, der die Erde, d.h. die Seele tränkt, auf dass sie Frucht bringt zur rechten Zeit; eine Seele hingegen, die von diesem himmlischen Gebete nicht betaut wird, kann keine Frucht, sondern nur Dornen und Disteln hervorbringen und verfällt dem Fluche Gottes. In seinem Buch über die Würde des Rosenkranzes berichtet der sel. Alanus de la Roche, die allerseligste Jungfrau habe ihm geoffenbart: „Wisse, mein Sohn, und teile es allen mit, dass es ein bedenkliches und drohendes Zeichen für die ewige Verdammung ist, wenn jemand Abneigung, Überdruss und Nachlässigkeit gegen das Beten des englischen Grußes an den Tag legt, der die ganze Welt wiederhergestellt hat“, scias enim et secure intelligas et inde late omnibus patefacias, quod videlicet signum probabile est et propinquum æternæ damnationis horrere et acediari ac negligere Angelicam Salutationem, totius mundi reparativam (lib. de Dignit. Cap. 2). Das sind überaus trostreiche, aber auch schreckliche Worte, die man kaum glauben würde, hätten wir dafür nicht das Zeugnis dieses heiligen Mannes aus früherer Zeit, mit dem der hl. Dominikus und noch andere Heilige und bedeutende Männer, sowie die Erfahrungen mehrerer Jahrhunderte übereinstimmen. Denn man hat noch immer die Beobachtung gemacht, dass alle jene, die das Zeichen der Verdammung an sich tragen, wie die bewussten und hartnäckigen Häretiker, die Ungläubigen, die Stolzen und die Weltmenschen, das Ave Maria und den Rosenkranz hassen und verachten. Sie lernen und beten vielleicht noch das „Vater unser“, nicht aber das „Ave Maria“ und den Rosenkranz. Sie haben einen solchen Schrecken vor diesem Gebet, dass sie lieber eine Schlange bei sich tragen würden, als einen Rosenkranz. Auch die Stolzen, selbst wenn es Katholiken sind, die eine gleiche Gesinnung hegen wie ihr Vater Luzifer, zeigen Verachtung und Gleichgültigkeit gegen das Ave Maria und betrachten den Rosenkranz als eine Andacht, die nur für alberne Weiber und für Ungebildete passe, die nicht lesen können. Dagegen lehrt uns die Erfahrung, dass alle, die sonst große Zeichen ihrer Auserwählung an sich tragen, mit Freude das Ave Maria beten, und, je inniger sie mit Gott verbunden sind, desto größere Vorliebe für dieses Gebet zeigen. Das hat die allerseligste Jungfrau auch dem sel. Alanus gesagt im Anschluss an die Worte, die ich soeben angeführt habe. Ich weiß zwar nicht, wie und warum das so ist, gleichwohl beruht es auf Wahrheit: Ich kenne kein besseres Mittel, um zu erforschen, ob eine Person Gott angehört, als festzustellen, ob sie das Ave Maria und den Rosenkranz liebt oder nicht. Ich sage liebt, denn es kann sein, dass jemand dieses Gebet aus natürlichem oder übernatürlichem Unvermögen nicht beten kann, es aber doch hochschätzt, liebt und selbst anderen Liebe dazu einflößt. O ihr auserwählten Seelen, Sklaven Jesu in Maria, erkennet, dass nächst dem „Vater unser“ das „Ave Maria“ das schönste von allen Gebeten ist. Es ist die vollkommenste Ehrenbezeugung, die ihr Maria darbringen könnt, denn es ist die Ehrenbezeugung, die ihr der Allerhöchste durch einen Erzengel erweisen ließ, um ihr Herz zu gewinnen. Dieser Himmelsgruß wirkte mit seinen geheimnisvollen Reizen so mächtig auf Maria ein, dass sie trotz ihrer tiefen Demut zur Menschwerdung des ewigen Wortes ihre Einwilligung gab. Auch ihr werdet durch dieses ehrenvolle Gebet ganz sicher ihr Herz gewinnen, wenn ihr es so verrichtet, wie es sich gebührt. Das Ave Maria, gut gebetet, d.h. mit Aufmerksamkeit, Andacht und Sammlung, ist nach Aussage der Heiligen der Feind des Teufels, den es in die Flucht schlägt und der Hammer, der ihn zerschmettert. Dieses Gebet ist die Freude der Engel, der Jubelgesang der Auserwählten, das Lied des neuen Bundes, die Freude Mariä und die Ehre der allerheiligsten Dreifaltigkeit. Das Ave Maria ist ein himmlischer Tau, der die Seele fruchtbar macht, es ist ein keuscher Liebeskuss, den man Maria gibt, eine Purpurrose, die man ihr darbietet, eine kostbare Perle, die man ihr reicht und eine Schale voll Ambrosia und göttlichen Nektars, die man ihr schenkt. Alle diese Vergleiche haben die Heiligen gebraucht. Ich bitte euch also inständig bei der Liebe, die ich zu euch in Jesus und Maria trage, begnüget euch nicht damit, die kleine Krone der allerseligsten Jungfrau zu beten, sondern betet auch euren Rosenkranz, und zwar, wenn ihr Zeit habt, täglich den ganzen Psalter. Dann werdet ihr auf dem Sterbebette jenen Tag und jene Sunde preisen, da ihr meinem Rat gefolgt seid. Wenn ihr so unter dem Segen Jesu und Mariä reichlich gesät habt, werdet ihr die ewigen Segnungen des Himmels ernten: Qui seminat in benedictionibus, de benedictionibus et metet. (2Kor 9,6)

Sechste Übung: Das Beten des Magnifikat
Um Gott für die Gnaden zu danken, die er der allerseligsten Jungfrau erwiesen hat, werden ihre treuen Diener nach dem Beispiele der sel. Maria d’Oignies und mehrerer anderer Heiliger oft das Magnifikat beten. Das ist das einzige Gebet, das die allerseligste Jungfrau, oder vielmehr Jesus in ihr verfasst hat, denn er sprach durch ihren Mund. Es ist das größte Opfer des Lobes, das Gott im Gesetz der Gnade je von einem Geschöpfe empfing. Es ist das demütigste und dankbarste, das höchste und erhabenste aller Loblieder. In diesem Liede sind so große und verborgene Geheimnisse enthalten, dass selbst die Engel sie nicht vollständig erkennen können. Nachdem Gerson, dieser fromme und weise Lehrer, viele Jahre auf die Abfassung von überaus geistvollen und frommen Abhandlungen über die schwierigsten Gegenstände verwandt hatte, machte er sich gegen Ende seines Lebens beklommenen Herzens daran, das Magnifikat zu erklären, um seine Werke zu krönen. In einem Foliobande, den er darüber schrieb, bringt er viele wunderbare Dinge über dieses schöne und göttliche Lied vor. Unter anderem sagt er, dass die allerseligste Jungfrau selbst es oft gebetet habe, besonders als Danksagung nach dem Empfang der heiligen Kommunion. Der gelehrte Benzonius, der ebenfalls eine Erklärung des Magnifikat verfasste, berichtet mehrere Wunder, die durch die Kraft dieses Gebetes gewirkt wurden, und sagt, dass die Teufel zittern und fliehen, wenn sie die Worte des Magnifikat hören: Fecit potentiam in bracchio suo, dispersit superbos mente cordis sui (Lk 1,51), „er übet Macht mit seinem Arme, zerstreut, die da hoffärtig sind in ihres Herzens Sinne!“

Siebente Übung: Verachtung der Welt
Die treuen Diener Mariä müssen schließlich die verdorbene Welt verachten, hassen und fliehen und daher oft die Übung der Weltverachtung vornehmen, wie ich sie im ersten Teil angeführt habe.

Besondere Übungen für die, welche vollkommen werden wollen Außer den erwähnten äußeren Andachtsübungen, die man nie aus Nachlässigkeit oder Geringschätzung unterlassen soll, soweit der Stand und die Verhältnisse des einzelnen es gestatten, gibt es noch mehrere innere, heiligende Übungen für jene, welche der Heilige Geist zu hoher Vollkommenheit beruft. Diese Übungen sind in vier Worten enthalten: alle unsere Handlungen sollen wir durch Maria, mit Maria, in Maria und für Maria verrichten, um sie vollkommener durch Jesus, mit Jesus, in Jesus und für Jesus zu vollbringen.

1. Alles durch Maria
Man soll seine Handlungen durch Maria verrichten, d.h. man soll der allerseligsten Jungfrau in allen Dingen gehorchen und sich von ihrem Geiste leiten lassen, welcher der Geist Gottes ist. „Die, welche vom Geiste Gottes geleitet werden, sind Kinder Gottes“, qui Spiritu Dei aguntur, ii sunt filii Dei (Roem 8,14). Diejenigen, welche vom Geiste Mariä geleitet werden, sind Kinder Mariä und folglich auch Kinder Gottes, wie wir gezeigt haben. Ja, unter so vielen Verehrern Mariä sind nur jene ihre wahren und treuen Verehrer, welche sich von ihrem Geiste leiten lassen. Der Geist Mariä ist aber der Geist Gottes, weil Maria sich nie von ihrem eigenen Geiste, sondern immer vom Geiste Gottes leiten ließ, der so vollkommen in ihr herrschte, dass er ihr eigener Geist geworden war. Darum sagt der hl. Ambrosius: „Die Seele Mariä soll in jedem sein, um den Herrn zu verherrlichen, und der Geist Mariä soll in jedem sein, um sich in Gott zu erfreuen.“ Glückselig jene, die nach dem Beispiel des im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Jesuitenbruders Rodriguez ganz vom Geiste Mariä in Besitz genommen und beherrscht werden; denn es ist ein sanfter und starker, eifriger und kluger, demütiger und mutiger, reiner und tiefer Geist. Um sich von diesem Geiste Mariä führen und leiten zu lassen, muss man zunächst seinem eigenen Geiste, seiner eigenen Einsicht, seinem eigenen Willen entsagen, bevor man etwas unternimmt, z.B. bevor man sein Gebet verrichtet, die heilige Messe liest oder hört, kommuniziert usw.; denn die Finsternis unseres eigenen Geistes und die Bosheit unseres eigenen Willens würden, wenn wir ihnen folgten, dem Geiste Mariä ein Hindernis setzen, so gut unsere Absichten uns auch erscheinen möchten. Ferner muss man sich dem Geiste Mariä hingeben, um von ihm angeregt und geleitet zu werden, wie sie will. Ihren jungfräulichen Händen muss man sich überlassen, wie ein Werkzeug in den Händen des Handwerkers, wie eine Laute in der Hand eines guten Spielers; ja man soll sich geradezu in ihr verlieren wie ein Stein, den man ins Meer wirft. Das kann auf ganz einfache Weise und in einem Augenblick geschehen, durch einen einzigen Aufblick des Geistes, durch einen kurzen Willensakt oder auch durch ein kurzes Gebet, indem man z.B. spricht: „Ich entsage mir selbst und schenke mich ganz Dir, meine liebe Mutter.“ Wenn man auch keine fühlbare Süßigkeit bei diesem Akt der Vereinigung empfindet, so ist er dennoch wahrhaft vorhanden. Gerade so würde ja auch ein Mensch, wenn er mit gleichen Ernste sagen würde: Ich schenke mich dem Teufel, sich nicht weniger wahrhaft dem Teufel übergeben, auch wenn er es ohne fühlbare Empfindung sagen würde. Schließlich muss man von Zeit zu Zeit, während und nach der Arbeit den nämlichen Akt der Hingabe und Vereinigung erneuern. Je öfter und inniger man ihn erweckt, desto mehr wird man sich heiligen, desto schneller auch zu Vereinigung mit Jesus Christus gelangen, die notwendigerweise der Vereinigung mit Maria folgt, weil der Geist Mariä der Geist Jesu ist.

2. Alles mit Maria
Alle Handlungen soll man mit Maria verrichten, d.h. bei ihnen auf Maria schauen, und ihr Beispiel nach Kräften befolgen. Denn sie ist das vollendete Vorbild jeglicher Tugend und Vollkommenheit, das der Heilige Geist in einem Geschöpf gebildet hat. Bei jeder einzelnen Handlung müssen wir uns demnach fragen, wie Maria sie verrichtet hat oder wie Maria sie verrichten würde, wenn sie in unserer Lage wäre. Wir müssen darum die großen Tugenden erforschen und betrachten, die sie während ihres Lebens geübt hat:
1. ihren lebendigen Glauben, mit dem sie sich dem Wort des Engels unterwarf, ohne zu zweifeln, in dem sie auch treu verharrte bis zum Fuß des Kreuzes auf dem Kalvarienberg;
2. ihre tiefe Demut, mit der sie sich mit Vorliebe verborgen hielt, schweigend beobachtete und gern den letzten Platz wählte;
3. ihre himmlische Reinheit, die nie ihresgleichen auf Erden gehabt hat, noch haben wird, und endlich alle ihre anderen Tugenden. Auch hierbei möge man sich daran erinnern, dass Maria die wunderbare und einzige Form Gottes ist, geeignet, in kurzer Zeit und ohne große Mühe lebendige Ebenbilder Gottes zu formen, und dass eine Seele, die diese Form gefunden hat und sich in ihr verliert, in kurzer Zeit in Jesus Christus umgewandelt wird, den ja diese Form naturgetreu darstellt.

3. Alles in Maria
Wer sich zu dieser Andacht entschlossen hat, soll ferner seine Handlungen in Maria verrichten. Um diese Übung recht zu verstehen, muss man wissen, dass die allerseligste Jungfrau das wahre irdische Paradies des neuen Adam ist, dem gegenüber das alte irdische Paradies nur ein schwaches Vorbild war. In diesem neuen Paradiese gibt es daher unaussprechliche Reichtümer, Schönheiten, Seltenheiten und Wonnen, die der neue Adam, Jesus Christus, in ihm zurückgelassen hat. In diesem Paradies hat er neun Monate hindurch seine Ruhestätte gefunden, seine Wunder gewirkt und mit der Freigebigkeit eines Gottes seine Reichtümer ausgespendet. Dieser überaus heilige Ort besteht nur aus jungfräulicher, makelloser Erde, aus der der neue Adam ohne Makel und Flecken gebildet und genährt wurde und zwar durch die Wirkung des Heiligen Geistes, der sie durchdrang. In diesem neuen Paradies steht in Wahrheit der Baum des Lebens, welcher Jesus Christus, die Frucht des Lebens, getragen, der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, der der Welt das Licht gebracht hat. An diesem göttlichen Orte gibt es Bäume, gepflanzt von der Hand Gottes und betaut von seiner göttlichen Salbung, die Früchte von göttlichem Geschmack getragen haben und noch immer tragen. Dort gibt es Blumenbeete, geschmückt mit den schönsten und mannigfaltigsten Tugendblumen, deren Duft selbst die Engel berauscht. Dort gibt es grüne Wiesenflächen der Hoffnung, uneinnehmbare Türme der Kraft und entzückende Wohnungen des Vertrauens. In diesem neuen Paradiese ist eine Luft der Reinheit ohne Beimischung, ein heller Tag der heiligen Menschheit ohne Nacht, eine schöne Sonne der Gottheit ohne Schatten; ein fortwährend brennender Glutofen der Liebe, wo alles Eisen, das man hineinwirft, schmilzt und in Gold verwandelt wird. Dort ist ein Strom von Demut, der aus der Erde entspringt, sich in vier Arme teilt, die vier Kardinaltugenden, und diesen ganzen bezaubernden Ort bewässert. Der Heilige Geist allein kann die Wahrheit zur Erkenntnis bringen, die unter all diesen Bildern körperlicher Dinge verborgen liegt. Der Heilige Geist nennt auch durch den Mund der heiligen Väter die allerseligste Jungfrau die östliche Pforte, durch die der Hohepriester Jesus Christus in der Welt ein- und ausgeht: Er ist das erstemal durch sie eingetreten, er wird durch sie auch das zweitemal kommen. 2. Man muss ferner bedenken, dass die allerseligste Jungfrau das Heiligtum der Gottheit, das Ruhegemach der heiligsten Dreifaltigkeit, der Thron Gottes, die Stadt Gottes, der Altar Gottes, der Tempel Gottes, kurz die Welt Gottes ist. Alle diese verschiedenen Titel und Lobsprüche sind vollkommen wahr wegen der verschiedenen Wunder und Gnaden, die der Allerhöchste an Maria gewirkt hat. O, welcher Reichtum! Welche Fülle von Glorie! Welch ein Glück, in Maria Einkehr nehmen und wohnen zu dürfen, wo Gottes Majestät den Thron ihrer höchsten Glorie aufgeschlagen hat! Aber wie schwer ist es für uns Sünder, den Vorzug und die Gnade zu erhalten und zu bewahren, dieses erhabene Heiligtum zu betreten, das nicht wie das alte, irdische Paradies von einem Cherub, sondern vom Heiligen Geist selbst bewacht wird. Als unbeschränkter Herr desselben sagt Er selbst: Hortus conclusus, soror mea, sponsa, hortus conclusus, fons signatus (Hohel 4,12), „ein wohlverschlossener Garte bist du, meine Schwester, meine Braut, ein wohlverschlossener Garten, ein versiegelter Quell!“ Maria ist verschlossen, Maria ist versiegelt; die elenden Kinder Adams und Evas, die aus dem irdischen Paradies vertreiben sind, können in diese Paradies nur Zutritt finden durch eine besondere Gnade des Heiligen Geiste, die sie sich verdienen müssen. Hat man aber durch treue Erfüllung aller Forderungen diese ausgezeichnete Gnade erlangt, dann muss man auch gern in diesem Heiligtum verbleiben, und vertrauensvoll in ihm Frieden und Hilfe suchen. In dieser Wohnung Gottes muss man sich verbergen und ohne Rückhalt verlieren, damit die Seele dort in dem jungfräulichen Schoße Mariä genährt werde von der Milch ihrer Gnade und ihrer mütterlichen Barmherzigkeit, dort befreit werde von Verwirrung, Ängsten und Zweifeln und gesichert sei gegen all ihre Feinde, die Welt, den Teufel und die Sünde, die in dieses Heiligtum niemals eindringen konnten. Deshalb versichert Maria selbst, dass jene, die in ihr ihre Werke vollbringen, nicht sündigen werden: Qui operantur in me, non peccabunt (JSir 24,30), d.h. wer geistig in der allerseligsten Jungfrau wohnt, wird nie eine schwere Sünde begehen. Schließlich soll die Seele in Christus gebildet werden und Christus in ihr, da nach den Worten der heiligen Väter ihr Schoß der Saal der göttlichen Geheimnisse ist, in dem Christus und alle Auserwählten gebildet worden sind: Homo et homo natus est in ea (Ps 86,5).


4. Alles für Maria
Der treue, selbstlose Diener Mariä soll all seine Handlungen endlich auch für seine himmlische Herrin verrichten. Da er sich ganz ihrem Dienste geweiht hat, ist es gerecht, dass er alles für sie tut, nicht als ob sie das letzte Zielt seiner Wünsche und seiner Werke wäre, denn dieses ist Christus allein. Maria aber ist sein nächstes Ziel, und das geheimnisvolle und leichteste Mittel, um zu Christus zu gelangen. Wie ein guter und getreuer Knecht soll man nie untätig sein, sondern für diese erhabene Herrin im Vertrauen auf ihre Hilfe alle Dinge unternehmen und ausführen, ihre Rechte verteidigen, wo sie ihr bestritten werden, und ihre Ehre schützen, wenn sie angegriffen wird. Wenn möglich, soll man die ganze Welt für ihren Dienst und auch für diese wahre Andacht zu gewinnen suchen, gegen jene auftreten und kämpfen, die mit dieser Andacht Missbrauch treiben und dadurch sie selbst wie ihren Sohn beleidigen. Zum Entgelt für diese kleinen Dienste soll man schließlich von ihr nichts anderes verlangen als die Ehre, einer so liebenswürdigen Fürstin anzugehören und das Glück, durch sie mit ihrem Sohne Jesus für Zeit und Ewigkeit durch ein unzerreißbares Band vereinigt zu sein. Ehre sei Jesus in Maria! Ehre sei Maria in Jesus! Ehre sei Gott allein!

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