Kategorie:BIBLIA SACRA:AT:Weish11

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Liber primus Sapientiæ. Caput XI.

Das Buch der Weisheit Kap. 11


Besondere Erwägung der Gegensätze. 1. Welchen Gegensatz bilden zu den Israel zuteil gewordenen Gnadenerweisen die Strafen der Ägypter, in denen sich die Gerechtigkeit Gottes und zugleich seine Barmherzigkeit offenbarten. [Weish 12,2]

1. Direxit opera eorum in manibus prophetæ sancti.
2. Iter fecerunt per deserta, quæ non habitabantur: et in locis desertis fixerunt casas.
3. Steterunt contra hostes, et de inimicis se vindicaverunt.
4. Sitierunt, et invocaverunt te, et data est illis aqua de petra altissima, et requies sitis de lapide duro.

5. Per quæ enim pœnas passi sunt inimici illorum, a defectione potus sui, et in eis, cum abundarent filii Israel, lætati sunt;
6. Per hæc, cum illis deessent, bene cum illis actum est.
7. Nam pro fonte quidem sempiterni fluminis, humanum sanguinem dedisti injustis.
8. Qui cum minuerentur in traductione infantium occisorum, dedisti illis abundantem aquam insperate,
9. Ostendens per sitim, quæ tunc fuit, quemadmodum tuos exaltares, et adversarios illorum necares.
10. Cum enim tentati sunt, et quidem cum misericordia disciplinam accipientes, scierunt quemadmodum cum ira judicati impii tormenta paterentur.
11. Hos quidem tamquam pater monens probasti: illos autem tamquam durus rex interrogans condemnasti.

12. Absentes enim et præsentes similiter torquebantur.
13. Duplex enim illos acceperat tædium, et gemitus cum memoria præteritorum.
14. Cum enim audirent per sua tormenta bene secum agi, commemorati sunt Dominum, admirantes in finem exitus.
15. Quem enim in expositione prava projectum deriserunt, in finem eventus mirati sunt: non similiter justis sitientes.

16. Pro cogitationibus autem insensatis iniquitatis illorum, quod quidam errantes colebant mutos serpentes, et bestias supervacuas, immisisti illis multitudinem mutorum animalium in vindictam:
17. Ut scirent quia per quæ peccat quis, per hæc et torquetur.
18. Non enim impossibilis erat omnipotens manus tua, quæ creavit orbem terrarum ex materia invisa, immittere illis multitudinem ursorum, aut audaces leones,

19. Aut novi generis ira plenas ignotas bestias, aut vaporem ignium spirantes, aut fumi odorem proferentes, aut horrendas ab oculis scintillas emittentes:
20. Quarum non solum læsura poterat illos exterminare, sed et aspectus per timorem occidere.
21. Sed et sine his uno spiritu poterant occidi persecutionem passi ab ipsis factis suis, et dispersi per spiritum virtutis tuæ: sed omnia in mensura, et numero, et pondere disposuisti.

22. Multum enim valere, tibi soli supererat semper: et virtuti brachii tui quis resistet?
23. Quoniam tamquam momentum stateræ, sic est ante te orbis terrarum, et tamquam gutta roris antelucani, quæ descendit in terram.
24. Sed misereris omnium, quia omnia potes, et dissimulas peccata hominum propter pœnitentiam.

25. Diligis enim omnia quæ sunt, et nihil odisti eorum quæ fecisti: nec enim odiens aliquid constituisti, aut fecisti.

26. Quomodo autem posset aliquid permanere, nisi tu voluisses? aut quod a te vocatum non esset, conservaretur?
27. Parcis autem omnibus: quoniam tua sunt Domine, qui amas animas.


1. Sie leitete ihre Werke durch die Hand des heiligen Propheten.1 [2Mos 16,1]
2. Sie durchzogen unwohnliche Wüsten2 und schlugen ihre Gezelte an öden Orten auf.
3. Sie widerstanden ihren Feinden und wehrten ihre Widersacher3 ab. [2Mos 17,12]
4. Als sie dürsteten, riefen sie4 dich an und es ward ihnen Wasser5 aus hohem Felsen6 gegeben und Stillung des Durstes aus hartem Gestein. [4Mos 20,11]
5. Denn wodurch ihre Feinde gestraft wurden,7 da ihnen das Trinkwasser ausging, dessen erfreuten sich die Kinder Israels im Überfluss.
6. Denn während es jenen mangelte, ward diesen dadurch Gutes zuteil.
7. Anstatt des Bornes immerfließenden Wassers nämlich gabst du den Ungerechten Menschenblut.
8. Während diese zur Strafe für die gemordeten Kinder Verlust erlitten,8 gabst du jenen unverhofft9 die Fülle des Wassers.
9. Durch den damaligen Durst zeigtest du, wie du die Deinigen erhöhtest und ihre Widersacher tötetest.10
10. Denn da sie geprüft wurden, wiewohl sie nur gnädige Züchtigung erduldeten, erkannten sie, welche Qualen die im Zorne gerichteten Gottlosen zu erleiden haben.
11. Denn diese prüftest du wie ein mahnender Vater, jene aber nahmst du wie ein strenger König in Verhör und verurteilest sie.11
12. Fern von ihnen und nah wurden sie in gleicher Weise gepeinigt.12
13. Denn13 doppeltes Leid und Seufzen14 ergriff sie bei dem Andenken an das Geschehene.
14. Denn als sie hörten, dass durch die Qualen, welche sie litten, jene Gutes empfingen, gedachten sie des Herrn15 und verwunderten sich über den Endausgang.
15. Denselben nämlich, den sie einst durch grausame Aussetzung preisgegeben16 und verlacht hatten, über diesen staunten sie17 am Ende des Ausganges,18 da sie ganz anders Durst litten als die Gerechten.
16. Für die törichten Gedanken ihrer Gottlosigkeit aber, in denen befangen, sie stumme Schlangen19 und verächtliche Tiere göttlich verehrten, sandtest du wider sie ein Heer vernunftloser Tiere zur Vergeltung; [Weish 12,24]
17. auf dass sie inne würden, dass, womit jemand sündigt, er damit auch gestraft werde.20
18. Denn deine allmächtige Hand, welche den Erdkreis aus unsichtbarem Stoffe erschuf,21 wäre nicht unvermögend gewesen, eine Menge von Bären oder kühne Löwen unter sie zu senden [3Mos 26,22, Jer 8,17, Weish 16,1]
19. oder neugeschaffene, wütige, unbekannte Tiere, die Feuerodem schnaufen oder Qualm ausstoßen oder furchtbare Feuerfunken aus den Augen sprühen,22
20. deren Anfall sie nicht bloß vernichten, sondern deren Anblick sie schon durch Schrecken hätte töten können.
21. Aber auch ohne alles dies hätten sie durch einen einzigen Hauch23 getötet werden können, verfolgt von ihren eigenen Taten und zerstreut durch den Hauch deiner Macht; doch du hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet.24
22. Denn25 Großes zu vermögen gehörte allezeit dir allein zu, und wer wird der Stärke deines Armes widerstehen?
23. Wie ein Stäubchen26 in der Waage, so ist der Erdkreis vor dir und wie ein Tropfen Morgentau, der auf die Erde herabfällt.27
24. Doch du erbarmst dich aller, weil du alles vermagst,28 und siehst hinweg über die Sünden der Menschen um der Buße willen.29
25. Denn du liebst alles, was ist, und hassest nichts von dem, was du erschaffen hast; denn du hast nichts im Hasse angeordnet oder erschaffen.
26. Wie könnte aber etwas Bestand haben ohne deinen Willen? Oder wie würde etwas, was du nicht ins Dasein gerufen, erhalten?30
27. Du schonst aber alles, weil es dein Eigentum ist,31 o Herr! der du die Seelen32 liebst.


Fußnote

Kap. 11 (1) Moses. [5Mos 34,10ff] - (2) Weil die Weisheit sie leitete, konnten sie ihren Weg dahin richten, wo keine Straße war. Ohne Dazwischenkunst der göttlichen Vorsehung hätte ein so großes Volk die Wüste nicht durchziehen und vierzig Jahre in derselben weilen können. - (3) Im Gegensatz zu den offenen Feinden wohl die Moabiter und Madianiter. - (4) Nicht das gesamte Volk, wie ja auch in V. 3 nur die waffenfähige Mannschaft gemeint ist. - (5) Der Verfasser will die gnadenreichen Erweise der göttlichen Vorsehung schildern. - (6) Griech.: Aus scharf abgeschnittenen (also wohl: Kieselstein). Vergl. auch den Fels als Typus [1Kor 10,4]. - (7) Die folgende Anspielung auf die Verpestung des Nils fehlt im jetzigen griechischen Texte. So ist die erste Hälfte des Verses gleichsam das Thema, das bis zu Ende des Buches ausgeführt wird, und bei jedem neuen Falle zu ergänzen. Vergl. [Weish 16,2ff]. - (8) Griech. V. 7, V. 8: Statt der Quelle lebendigen Wassers wurden sie erschreckt durch das mordblutähnliche Blut des Flusses zum strafenden Hinweis auf den kindesmörderischen Befehl; jenen aber gabst du reichliches Wasser unverhofft. – Dieser Text ist sicherlich nicht unversehrt. - (9) Weil in dürrer Wüste. - (10) Richtiger: züchtigtest. - (11) Für die Israeliten war die Wassernot nur eine Prüfung des Vertrauens, für die Ägypter eine Strafe, jenen sandte Gott sie in liebender Erbarmung, diesen als Äußerung seines gerechten Zornes. Für jene war sie ein Mittel in der Hand Gottes zu ihrer Erziehung, für die Ägypter Strafe, den Israeliten erwies sich Gott als Vater, den Ägyptern als strenger Herrscher. Für jene sollte es eine Mahnung sein, sich an Gott zu wenden, für diese ein Gericht. - (12) Auch als die Israeliten fern, litten die Ägypter noch um ihretwillen durch Zorn, Neid usw. - (13) Beweis dafür, dass die Ägypter auch fern von den Israeliten in ihren Herzen Pein litten. - (14) Das erste Leid bestand in dem Gedanken, dass die gleichen Umstände, welche ihnen soviel Leid verursacht, den Israeliten Ursache zu wunderbaren Wohltaten wurden (14a), das zweite, dass sie die strafende Hand Gottes, die Nichtigkeit ihrer Götzen und die Liebe Gottes zu seinem Volke anerkennen mussten. Diese Leiden musste sie um so mehr schmerzen, als sie nun die bewundern mussten (15b), die sie einst verachtet. (15a) - (15) Griech.: erkannten sie den Herrn (die folgenden Worte fehlen im Texte). - (16) Moses. - (17) Der König und seine Höflinge. [2Mos 5,2] - (18) Als sie Israel nicht mehr in die Knechtschaft zurückführen konnten. - (19) Griech.: unvernünftiges Gewürm. - (20) Neuer Zug der göttlichen Weisheit in der Leitung des auserwählten Volkes und der Bestrafung seiner Feinde. Der Gottesdienst der Ägypter war ein Tierdienst, durch Tiere rächte sich Gott an ihnen. Vergl. [4Mos 33,3.4]. - (21) Vergl. [1Mos 1,2]. Es handelt sich nicht um die Schöpfung der Welt aus nichts, die bereits vorausgesetzt ist. - (22) Solche kann Gott bilden. Vergl. die Schilderung [Job 41,9-12]. - (23) Gottes. Vergl. [Job 4,8]. - (24) Die weise Strafgerechtigkeit Gottes, mit der er den Schuldigen nicht große Tiere sandte, sondern solche, die sie bekehren, nicht verderben sollten, ist nicht auszuschließen (vergl. V. 24ff), aber der Satz ist auf die bei Gottes Strafen überhaupt hervortretende Weisheit oder vielmehr auf alle weisen Anordnungen Gottes, zu denen auch die Strafgerichte gehören, auszudehnen. Maß, Zahl und Gewicht zeigen sich am deutlichsten in der sichtbaren Natur, von der die Ausdrücke zunächst genommen sind. - (25) Begründung zu V. 18. - (26) Griech.: Ausschlag in der Wage, das, was eben hinreicht, das Gleichgewicht zu stören. - (27) Der Tautropfen ist wie ein Bild der Kleinheit, so noch mehr der Unbeständigkeit und der Widerstandslosigkeit; kaum erscheint die Sonne, so verschwindet er. – Das Gewaltigste, was wir kennen, ist der Erdball, und selbst der ist Gott gegenüber wie nichts! - (28) Weiterer Grund, warum Gott nicht seine ganze Macht im Bestrafen entfaltet. Seine Macht ist so erhaben über alle menschliche Kraft, dass diese nicht Gegenstand der göttlichen Entrüstung sein kann, so verschwindet sie gegen jene. Dazu vermag kein Geschöpf seiner Allmacht zu entfliehen und deshalb kann er warten mit der Strafe. Begnadigen können jetzt weiter die höchste Herrschergewalt voraus und soweit das Erbarmen sich auf Sünder erstreckt, verlangt es nicht weniger Macht als die Erschaffung der Welt. (Aug., Thom.) - (29) Damit sie Buße tun. – Der letzte Grund, weshalb Gott seine Allmacht durch Erbarmen, nicht durch Strafen offenbart, ist seine Liebe. (Gebet der Kirche am zehnten Sonntag nach Pfingsten.) - (30) Vergl. [Ps 103,29ff, Ps 138]. - (31) Vergl. V. 25. - (32) Diese sind vollkommenere Abbilder der göttlichen Güte, während die anderen Geschöpfe nur Spuren derselben aufweisen; der Gnade nach aber geht ihre Ebenbildlichkeit so weit, dass sie an der göttlichen Natur teilhaben und Kinder Gottes werden, die einst in der Ewigkeit zu noch größerer Vollendung geführt werden sollen. Durch sie auch dienen die anderen Geschöpfe (in Erkenntnis Gottes und im Gebrauch nach seinem Willen) erst zur Verherrlichung Gottes.


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