Kategorie:Das goldene Buch:2Buch-2-8

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Sie ist ein wunderbares Mittel zur Erlangung der Beharrlichkeit


Was uns endlich noch mächtiger zu dieser Andacht zur allerseligsten Jungfrau antreiben muss, ist die Tatsache, dass sie ein wunderbares Mittel ist, um in der Tugend zu beharren und immer treu zu bleiben. Denn wie kommt es, dass die meisten Bekehrungen der Sünder nicht von Dauer sind? Wie kommt es, dass man so leicht in die Sünde zurückfällt? Wie kommt es, dass die meisten Gerechten, anstatt von Tugend zu Tugend voranzuschreiten und neue Gnaden zu erwerben, oft die wenigen Tugenden und Gnaden, welche sie haben, wieder verlieren? Dieses Unglück hat, wie ich oben gezeigt habe, darin seinen Grund, dass der Mensch, obwohl so verderbt, so schwach und unbeständig, dennoch auf sich selbst vertraut, sich auf seine eigene Kraft stützt und sich für fähig hält, den Schatz seiner Gnaden, Tugenden und Verdienste zu bewahren. Bei Übung dieser Andacht vertraut man dagegen der allerseligsten, allzeit getreuen Jungfrau alles an, was man besitzt; und erwählt sie zur Verwalterin aller seiner natürlichen und übernatürlichen Güter. Ihre Treue ist es, auf die man sich stützt, ihre Barmherzigkeit und Liebe, auf die man baut, damit sie unsere Tugenden und Verdienste bewahre und vermehre, trotz des Teufels, trotz der Welt und des Fleisches, welche alle Anstrengungen machen, uns diese zu entwinden. Man spricht zu ihr wie ein gutes Kind zu seiner Mutter oder wie ein treuer Diener zu seiner Herrin: Depositum custodi: „Gute Mutter und Herrin, ich erkenne, dass ich bisher durch Deine Vermittlung mehr Gnaden von Gott empfangen habe als ich verdiene. Meine traurige Erfahrung lehrt mich aber, dass ich diesen Schatz in einem sehr gebrechlichen Gefäß trage und zu schwach und zu elend bin, um ihn aus eigener Kraft zu bewahren. Ich bitte Dich daher, nimm als anvertrautes Gut alles entgegen, was ich besitze und bewahre es mir durch Deine Macht und Treue. Wenn Du es mir behütest, werde ich nichts verlieren: wenn Du mich stützest, werde ich nicht fallen; wenn Du mich schützest, bin ich gesichert vor meinen Feinden.“ Dasselbe hebt auch der hl. Bernhard ausdrücklich hervor, um uns für diese Andacht zu gewinnen: „Wenn Maria dich stützt, wirst du nicht fallen; wenn sie dich schirmt, hast du nichts zu fürchten, wenn sie dich führt, ermüdest du nicht, wenn sie dir günstig gesinnt ist, gelangst du in den Hafen des Heiles“, ipsa tenente, non corruis; ipsa protegente, non metuis; ipsa duce, non fatigaris; ipsa propitia, pervenis (S. Bern. Serm. 2. super Missus est). Der hl. Bonaventura spricht denselben Gedanken noch deutlicher aus, wenn er sagt: „Die allerseligste Jungfrau hält sich nicht nur selbst in der Fülle der Heiligen auf, sondern sie bewahrt und behütet auch die Heiligen in ihrer Fülle, damit diese nicht abnehme; sie verhindert, dass die Tugenden der Heiligen schwinden, dass ihre Verdienste und Gnaden verloren gehen, dass der Teufel ihnen schade; sie verhindert endlich, dass unser Herr sie züchtig, wenn sie sündigen“, Virgo non solum in plenitudine Sanctorum detinetur, sed etiam in plenitudine Sanctos detinet, ne plenitudo minuatur: detinet virtutes, ne fugiant; detinet merita, ne pereant; detinet gratias, ne effluant; detinet dæmones, ne noceant; detinet Filium, ne peccatores percutiat. (S. Bonav. in Specul. B. V.) Maria ist die getreue Jungfrau. Durch ihre Treue gegen Gott machte sie die Verluste wieder gut, welche die untreue Eva durch ihre Treulosigkeit verursacht hatte. Auch heute noch erwirkt sie die Tugend der Treue gegen Gott und die Gnade der Beharrlichkeit allen jenen, welche sich ihr geweiht haben. Darum vergleicht ein Heiliger Maria mit einem festen Anker, der die Menschen zurückhält und nicht zulässt, dass sie in dem bewegten Meere dieser Welt Schiffbruch leiden, wo so viele Menschen zugrunde gehen, weil sie sich nicht fest an diesen Anker anklammern. „Wir klammern“, sagt er, „unsere Seele an Deine Hoffnung wie an einen festen Anker“, animas ad spem tuam sicut ad firmam anchoram alligamus. An Maria haben sich die Heiligen, die gerettet wurden, am meisten angeschlossen, um sich die Gnade der Beharrlichkeit zu sichern. Glücklich, ja tausendmal glücklich die Christen, welche sich auch jetzt treu und vollkommen an Maria anschließen und sie als ihren sicheren Anker betrachten. In den wütenden Stürmen dieser Welt werden sie nicht untergehen, auch ihre himmlischen Schätze nie verlieren. Glücklich diejenigen, welche in Maria eingehen, wie in die Arche Noes! Die Wasser der Sündflut, die so viele Menschen begraben, werden ihnen nicht schaden, denn: Qui operantur in me non peccabunt (JSir 24,30). „Jene, welche in mir ihre Werke vollbringen, werden nicht sündigen“, sagt Maria von sich mit den Worten der ewigen Weisheit. Selig die Kinder der unglücklichen Eva, die sich dieser treuen Mutter und Jungfrau anschließen, die immer getreu bleibt und sich niemals verleugnet: Fidelis permanet, se ipsam negare non potest, die stets jene liebt, welche sie lieben: Ego diligentes me diligo (Prov. 8,17), und zwar nicht nur mit einer gefühlsmäßigen, sondern mit einer tätigen und wirksamen Liebe. Denn sie bewahrt sie durch überfließende Gnaden davor, in der Tugend Rückschritte zu machen, der Gnade ihres göttlichen Sohnes verlustig zu gehen oder auf dem Wege zu fallen. Diese gute Mutter nimmt stets aus reinster Liebe alles, was man ihr schenkt, als anvertrautes Gut entgegen. Hat sie es erst einmal in Verwaltung genommen, so fühlt sie sich aus Gerechtigkeit in Kraft des Hinterlegungsvertrages verpflichtet, es uns zu bewahren; gerade wie jemand, dem ich tausend Taler zur Bewahrung anvertraut hätte, verpflichtet wäre, sie mir vollständig und unversehrt zu bewahren, so dass, wenn sie durch seine Nachlässigkeit verloren gingen, er mit vollem Recht dafür verantwortlich wäre. Doch nein! Maria wird in ihrer Treue durch Nachlässigkeit nichts verloren gehen lassen, was man ihr anvertraut. Eher würden Himmel und Erde vergehen, als dass sie jenen gegenüber nachlässig und treulos wäre, die sich ihr anvertraut haben. Arme Kinder Mariä, eure Schwachheit ist außerordentlich groß, euer innerstes Wesen ist verderbt, ihr entstammt derselben verderbten Masse wie alle anderen Kinder Adams und Evas. Doch verzaget darum nicht! Tröstet und freut euch! Jetzt erkennet ihr das Geheimnis, das ich euch lehre, das fast allen Christen, selbst den frömmsten, unbekannt ist. Lasset euer Gold und Silber nicht in euren Schränken liegen, die vom bösen Feinde, der euch bestehlen will, schon so oft erbrochen wurden, die auch viel zu klein, zu wenig widerstandsfähig und zu alt sind, um einen so kostbaren Schatz zu bewahren. Leitet das klare, reine Quellwasser nicht in eure beschädigten und von der Sünde befleckten Gefäße! Wenn auch die Sünde nicht mehr darin ist, so ist doch noch ihr Geruch darin; das Wasser würde dadurch verdorben. Gießet eure köstlichen Weine nicht in eure alten Fässer, die mit schlechtem Wein gefüllt waren; sie würden dadurch nur verderben und in Gefahr kommen, verschüttet zu werden. Wiewohl ihr mich gewiss völlig versteht, auserwählte Seelen, muss ich hier doch noch deutlicher sprechen. Vertrauet das Gold eurer Liebe, das Silber eurer Reinheit, das Wasser der himmlischen Gnaden und den Wein eurer Verdienste und Tugenden doch nicht einem durchlöcherten Sacke an, einer alten zerbrochenen Truhe, einem schmutzigen und verdorbenen Gefäß, wie ihr es seid! Ihr werdet sonst von den Dieben, d.h. von den bösen Geistern ausgeplündert werden, die Tag und Nacht lauern, um den geeigneten Zeitpunkt auszuspähen, ihren Raub auszuführen. Ihr werdet sonst durch den üblen Geruch eurer Eigenliebe, eures Selbstvertrauens und eures Eigensinns alles verderben, was Gott euch gibt, und wäre es noch so lauter. Leget, schüttet ja all eure Schätze, all eure Gnaden und Tugenden in den Schoß und in das Herz Mariä: Sie ist ein geistliches Gefäß, ein ehrwürdiges und vortreffliches Gefäß der Andacht: Vas spirituale, vas honorabile, vas insigne devotionis. Seitdem sich Gott selbst mit all seinen Vollkommenheiten in dieses Gefäß eingeschlossen hat, ist es ganz geistlich und die erhabene Wohnung der geistlichen Seele geworden. Es ist auch ehrwürdig geworden und der Ehrenthron für die größten Fürsten der Ewigkeit; es ist das auserlesene Gefäß der Andacht geworden und der vornehmste Wohnsitz der Tröstungen, Gnaden und Tugenden; es ist endlich reich geworden wie ein goldenes Haus, stark wie ein Turm Davids und rein wie ein elfenbeinener Turm. O, wie glücklich ist ein Mensch, der alles Maria geschenkt, der sich ganz und gar Maria anvertraut hat und sich vollkommen in ihr verliert! Er ist ganz in Maria, und Maria ist ganz in ihm; mit David darf er kühn sagen: Hæc facta est mihi (Ps 118,56), „Maria ist für mich geschaffen“, oder mit dem Liebesjünger: Accepi eam in mea (Ps 19,27), „Ich habe sie gegen all das Meine als Eigentum empfangen“, ja selbst mit Jesus Christus: Omnia mea tua sunt, et omnia tua mea sunt (Joh 17,10), „All das Meinige ist sein, und all das Deinige ist mein.“ Wenn ein Kritiker, der dieses liest, bei sich denken sollte, ich spräche hier mit Übertreibung und überspannter Frömmigkeit, ach er versteht mich nicht, sei es, weil er zu sinnlich ist und daher an geistlichen Dingen keinen Geschmack findet, sei es, weil er von dieser Welt ist, die den Heiligen Geist nicht empfangen kann, sei es endlich, weil er ein stolzer und tadelsüchtiger Mensch ist, der alles verwirft und verachtet, was er nicht versteht. Die Seelen hingegen, „die nicht geboren sind aus dem Blute, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott“ und aus Maria, verstehen mich und stimmen mir zu; sie sind es auch, für die ich dieses schreibe. Indes bemerke ich für die einen wie für die anderen, um den verlassenen Gegenstand wieder aufzunehmen, dass die allerseligste Jungfrau Maria eben, weil sie das treueste und freigebigste unter allen reinen Geschöpfen ist, sich nie an Liebe und Freigebigkeit übertreffen lässt. Für ein Ei, sagt ein Gottesmann, gibt sie uns ein Huhn, das will sagen: für das wenige, was man ihr schenkt, gibt sie uns gar viel von dem, was sie von Gott empfangen hat. Wenn sich also eine Seele ihr ohne Vorbehalt hingibt, schenkt auch sie sich dieser Seele ohne Vorbehalt, vorausgesetzt natürlich, dass man ohne Vermessenheit sein Vertrauen auf sie setzt und sich ernstlich bemüht, Tugenden zu erwerben und die Leidenschaften zu bezähmen. Es dürfen demnach die treuen Diener der allerseligsten Jungfrau mit dem hl. Johannes Damaszenus getrost ausrufen: „Wenn ich auf Dich vertraue, o Gottesmutter, werde ich gerettet sein; wenn Du mich schützest; werde ich nichts zu fürchten haben; mit Deiner Hilfe werde ich meine Feinde bekämpfen und in die Flucht schlagen: denn die Andacht zu Dir ist eine Waffe des Heils, die Gott denen verleiht, die er retten will“, spem tuam habens, o Deipara, servabor; defensionem tuam possidens, non timebo, persequar inimicos meos et in fugam vertam, habens protectionem et auxilium tuum; nam tibi devotum esse sunt arma quædam salutis; quæ Deus his dat, quos vult salvos fieri. (S. Joan. Damasc. Serm. de Annunt.)

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