Jeremias

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DIE PROPHEZEIUNG DES JEREMIAS

Nähere Nachrichten über den Propheten gibt das Buch der Prophezeiung selbst, an dem die Lebensschicksale des Propheten sich in seinen Weissagungen verflochten finden. Hiernach stammte Jeremias aus Anathoth im Stamme Benjamin, wo seine Familie begütert war [Jer 32,7]. Sein Vater, Helkias, war nach Meinung einiger der Hohepriester, welcher nach [2Koe 18,18; 2Chr 34,14] das Buch des Gesetzes wieder auffand. Jeremias ward im dreizehnten Jahre des Königs Josias zum Prophetenamte berufen und übte dasselbe zunächst von Anathoth aus, bis er gezwungen ward, seinen Aufenthalt in Jerusalem zu nehmen. Seine Wirksamkeit erstreckte sich über die Regierungen Joachaz, Joakims, Jechonias und Sedekias hinaus bis in die Zeit des babylonischen Exils hinein. Nach [2Mak 2,4ff] verbarg Jeremias das heilige Zelt, die Bundeslade und den Rauchopferaltar bei der Zerstörung Jerusalems an dem Berge Nebo. Nach der Eroberung der heiligen Stadt hielt er sich einige Zeit bei den wenigen armen Juden auf, welche von den Chaldäern im Lande zurückgelassen und nicht in die Gefangenschaft weggeführt waren. Als nach kurzer Zeit der edle chaldäische Statthalter Godolias ermordet war, flohen die Juden trotz der Abmahnung Jeremias nach Ägypten, den Propheten mit sich fortführend. Auch dort setzte er seine prophetische Tätigkeit fort. Nach Tertullian, Epiphanius, Hieronymus, Isidorus von Sevilla, deren Angabe in das römische Martyrologium übergegangen ist, ward er von den Juden, deren Teilnahme am Götzendienste er rügte, gesteinigt. Nach einer anderen jüdischen Tradition ward der Prophet von Nabuchodonosor bei der Eroberung Ägyptens nach Babylon geführt und starb dort in hohem Alter.
Im vierten Jahre des Joakim erhielt der Seher den Befehl, seine Prophezeiungen, welche er vom dreizehnten Jahre des Josias an dem Volke verkündet, schriftlich aufzuzeichnen, ob sich Juda vielleicht bekehrte, wenn er all das Übel, das Gott über das Volk bringen wollte, vernahm. Baruch, der Sohn des Nerias, schrieb die Weissagungen nieder, wie der Prophet sie aussprach, und als der gottlose Joakim das Buch verbrannte, stellte jener ein zweites Mal die Reden des Propheten zusammen, zu denen noch einige neue hinzukamen. Außer den Drohungen enthielt das Buch auch Verheißungen zum Troste der Weggeführten. Diese Niederschrift bildet gleichsam die erste Vorlage der vorliegenden Prophezeiung, welche durch verschiedene nach und nach hinzutretende Zusätze endlich die heutige Gestalt erhielt. In Bezug auf die Form ist das vorliegende Buch charakterisiert durch drei Eigenheiten: Es wiederholt häufig denselben Gedanken, wie heftige Gemütsbewegung dies mit sich bringt; es bewahrt im Allgemeinen eine große Einfachheit in Worten, wenngleich die Rede sich an einigen Stellen bis zu dem Schwunge der Redeform des Propheten Isaias erhebt; endlich weist der Prophet zu wiederholten Malen auf frühere Propheten zurück.
Das Buch der Prophezeiungen des Jeremias ist uns in zwei verschiedenen Rezensionen, der hebräischen und der griechischen, erhalten. Die Septuaginta weicht in der Ordnung vom hebräischen Texte ab, da sie die Weissagungen gegen die auswärtigen Völker von dem Ende des Buches in die Mitte versetzt [1Mak 25,13], bisweilen kleine Versglieder und Worte hinzufügt, häufiger aber noch einzelne Ausdrücke, ja ganze Sätze auslässt. So kommt es, dass der griechische Text um den achten Teil kürzer ist als der hebräische und lateinische. Da die Septuaginta sich dem hebräischen Text im Übrigen fast servil anschließt, liegt die Folgerung nahe, dass sie eine zweite, von der massoretischen abweichende Rezension benutzte. Der massoretische wie der griechische Text leiden an kleineren Gebrechen, denen besondere Vorzüge gegenüberstehen, so dass keiner von beiden voll und ganz dem von dem Propheten überlieferten Texte entspricht. Beide Texte werden im Neuen Testamente als authentisch zitiert; so [Mt 2,18] die massoretische Leseweise, während der heilige Paulus [Hebr 8,9] die griechische Übersetzung anführt. Beide Texte sind ferner von der Kirche approbiert, da alle Christen der ersten sechs Jahrhunderte die Alexandrinische Rezension benutzten, welche die meisten orientalischen Kirchen auch heutzutage noch festhalten, während die occidentalische Kirche vom sechsten Jahrhundert ab an der vom heiligen Hieronymus verfertigten Übersetzung des massoretischen Textes festhält. Mit Recht, denn nicht allein, dass alle Teile der Vulgata nach der Erklärung des Tridentiner Konzils als heilig und kanonisch anzuerkennen sind, es bietet auch dem prüfenden Verstande keine Schwierigkeit, die Gründe zu erkennen, aus denen die Alexandrinische Übersetzung gewisse Stücke ausließ. Andernseits ist die Ordnung des Textes bei der Septuaginta eine richtigere, insofern die Weissagungen gegen die Heiden nach [Jer 25,13] folgen, wo sie auch nach einer Andeutung des massoretischen Textes selbst hingehören. In allem, was den Hauptinhalt der gesamten Weissagungen angeht, stimmt der massoretische Text und die Alexandrinische Übersetzung hinreichend überein.

Die Bibel: Jeremias