Kategorie:BIBLIA SACRA:AT:Ps101

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Liber Psalmorum. Psalmus CI.

Das Buch der Psalmen. Psalm 101 (102)


1. Gott hat das Gebet des Sängers erhört (V. 2), aber dennoch suchen denselben Trübsale heim. (V. 6) Von den Feinden geschmäht, ist er gezwungen, sich zurückzuziehen, fast verzehrt von Gottes Zorn. (V. 12) 2. Mit Vertrauen fleht der Psalmist, dass die Zeit der Erbarmung gekommen sein möge, da Israel ja selbst die Trümmer Sions wieder liebt. (V. 15) Auch die Feinde werden Gott verehren, wenn sie Sion wiederhergestellt und das Gebet der Weggeführten erhört sehen (V. 18), Israel aber werde eine so große Wohltat stets preisen und Gottes Name vor den Menschen verkündet werden. (V. 23) 3. Die Bitte wiederholend, ruft der Dichter Gottes Unveränderlichkeit an (V. 28) und spricht seine Zuversicht aus, dass das Volk nicht untergehen wird.

1. Oratio pauperis, Cum anxius fuerit, et in conspectu Domini effuderit precem suam.
2. Domine exaudi orationem meam: et clamor meus ad te veniat.
3. Non avertas faciem tuam a me: in quacumque die tribulor, inclina ad me aurem tuam.
In quacumque die invocavero te, velociter exaudi me:
4. Quia defecerunt sicut fumus dies mei: et ossa mea sicut cremium aruerunt.
5. Percussus sum ut fœnum, et aruit cor meum: quia oblitus sum comedere panem meum.
6. A voce gemitus mei adhæsit os meum carni meæ.
7. Similis factus sum pellicano solitudinis: factus sum sicut nycticorax in domicilio.
8. Vigilavi, et factus sum sicut passer solitarius in tecto.
9. Tota die exprobrabant mihi inimici mei: et qui laudabant me adversum me jurabant.
10. Quia cinerem tamquam panem manducabam, et potum meum cum fletu miscebam.
11. A facie iræ et indignationis tuæ: quia elevans allisisti me.
12. Dies mei sicut umbra declinaverunt: et ego sicut fœnum arui.
13. Tu autem Domine in æternum permanes: et memoriale tuum in generationem et generationem.
14. Tu exsurgens miserereberis Sion: quia tempus miserendi ejus, quia venit tempus.
15. Quoniam placuerunt servis tuis lapides ejus: et terræ ejus misererebuntur.

16. Et timebunt gentes nomen tuum Domine, et omnes reges terræ gloriam tuam.
17. Quia ædificavit Dominus Sion: et videbitur in gloria sua.

18. Respexit in orationem humilium: et non sprevit precem eorum.
19. Scribantur hæc in generatione altera: et populus, qui creabitur, laudabit Dominum:
20. Quia prospexit de excelso sancto suo: Dominus de cœlo in terram aspexit:
21. Ut audiret gemitus compeditorum: ut solveret filios interemptorum:

22. Ut annuntient in Sion nomen Domini: et laudem ejus in Jerusalem.
23. In conveniendo populos in unum, et reges ut serviant Domino.

24. Respondit ei in via virtutis suæ: Paucitatem dierum meorum nuntia mihi.

25. Ne revoces me in dimidio dierum meorum: in generationem et generationem anni tui.
26. Initio tu Domine terram fundasti: et opera manuum tuarum sunt cœli.

27. Ipsi peribunt, tu autem permanes: et omnes sicut vestimentum veterascent. Et sicut opertorium nutabis, et mutabuntur:
28. Tu autem idem ipse es, et anni tui non deficient.
29. Filii servorum tuarum habitabunt: et semen eorum in sæculum dirigetur.


1. Gebet eines Armen, wenn er in Ängsten ist und vor dem Angesichte des Herrn seine Klage ausschüttet.1
2. O Herr! erhöre mein Gebet und lass mein Rufen zu dir kommen!
3. Wende dein Angesicht nicht von mir ab; wann immer ich in Trübsal bin, neige dein Ohr zu mir; wann immer ich dich anrufe, erhöre mich alsbald!

4. Denn meine Tage sind hingeschwunden wie Rauch2 und mein Gebein ist verdorrt wie dürres Reis.3 [Ps 36,20, Ps 67,2]
5. Ich bin versengt4 wie Gras und mein Herz ist verdorrt,5 denn6 ich vergesse, mein Brot zu essen.
6. Ob meines lauten Seufzens klebt mein Gebein an meinem Fleische.7
7. Ich gleiche dem Pelikan in der Wüste,8 ich bin wie eine Eule in öder Behausung.9

8. Ich bin schlaflos und wie ein einsamer Sperling10 auf dem Dache.11
9. Beständig höhnen mich meine Feinde,12 und die mich zuvor lobten,13 verschwören sich nun wider mich.14
10. Denn15 ich esse Asche16 wie Brot und mische meinen Trank mit Tränen
11. wegen deines Zornes und deines Grimmes, denn du hobst mich empor und schleudertest mich nieder.17
12. Meine Tage schwinden dahin wie ein Schatten und ich verdorre wie Gras.18
13. Du aber, o Herr! bleibst in Ewigkeit,19 und dein Andenken20 währt von Geschlecht zu Geschlecht.
14. Du wirst dich erheben, dich Sions zu erbarmen; denn es ist Zeit dich seiner zu erbarmen, ja, die Zeit ist gekommen.
15. Denn seine Diener haben seine21 Steine22 lieb und sie tragen Leid über seinen Schutt.
16. Und die Völker werden deinen Namen fürchten, Herr! und alle Könige der Erde deine Herrlichkeit.
17. Denn der Herr wird Sion aufbauen und wird in seiner Herrlichkeit erscheinen.23 [Joh 1,14]
18. Er wird sich dem Gebet der Demütigen zuwenden und ihr Flehen nicht verschmähen.
19. Aufgeschrieben werde dies24 dem kommenden Geschlechte und das Volk, das geschaffen werden soll,25 preise den Herrn,
20. dass er von seiner heiligen Höhe26 herabgeschaut, der Herr vom Himmel auf die Erde herabgeblickt hat,
21. um das Seufzen der Gefangenen zu hören, um die Kinder der Erschlagenen27 zu befreien;
22. auf dass28 sie in Sion den Namen des Herrn verkünden und sein Lob in Jerusalem,
23. wenn die Völker dort allzumal zusammenkommen und die Könige, um den Herrn zu dienen.
24. Er antwortete29 ihm inmitten seiner Kraft: Tue mir die geringe Zahl meiner Tage kund!30
25. Rufe mich nicht ab in der Hälfte meiner Tage,31 von Geschlecht zu Geschlecht währen deine Jahre.32
26. Im Anbeginn hast du, o Herr! die Erde gegründet und das Werk deiner Hände sind die Himmel.
27. Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie alle werden wie ein Kleid veralten und wie ein Gewand wirst du sie wechseln und sie werden verändert.33
28. Du aber bist stets derselbe und deine Jahre nehmen kein Ende.34
29. Die Kinder deiner Diener werden wohnen35 und ihre Nachkommen werden beständig bleiben.


Fußnote

Psalm. 101 (1) Die Überschrift ist wohl liturgischen Ursprungs. V. 14ff legen die Vermutung nahe, dass er zur Zeit der Wegführung verfasst ward, als Sion in Trümmern lag. - (2) V. 4-6 und 12 sind Schilderung tiefen Seelenleidens. Der Rauch verflüchtigt sich, um spurlos zu verschwinden. - (3) Hebr.: Mein Gebein ist durchbrannt (von Fieberglut) wie ein brennendes Scheit. - (4) Ich bin von deinem Zorne getroffen, so dass ich absterbe wie das Gras bei großer Hitze. - (5) Meine Lebenskraft ist durch Leiden verzehrt. - (6) Nicht begründend, sondern erläuternd. - (7) Die Knochen starren überall hervor. - (8) Dem Ruderfüßler, der Kropfgans. Das Altertum erzählte von dem Vogel wunderbare Dinge, welche, auf Christus angewendet, in der christlichen Symbolik verwendet sind. (Aug.) - (9) Beide Vögel sind unrein und lieben den Aufenthalt in wüsten Gegenden. In einer solchen Wüste, die des Exils, ist auch der Dichter versetzt. - (10) Hebr.: kleiner Vogel. - (11) Wie ein, während alles im Hause ruht, einsam auf dem Dache sitzender Vogel. - (12) Dass Gott mich verlassen hat. - (13) Mich glücklich preisen ob meines von Gott verliehenen Glückes. - (14) Hebr.: Meine Rasenden (meine wider mich tobenden Feinde) schwören bei mir. - (15) Fortsetzung der Schilderung. - (16) Sinnbild der Trauer: Schmerz und Unglück sind mein tägliches Brot. - (17) Du hast mich zuerst glücklich gemacht, dann ins Elend gestürzt. Doch die mir zuteil gewordene Offenbarung hast du mich erhoben, fast scheint es, als ob dies nur geschehen, um mich desto tiefer zu stürzen. - (18) Hebr.: Meine Tage sind wie ein geneigter Schatten (gehen dem Untergange zu wie ein Schatten an der Neige des Tages). - (19) Treu deinen Verheißungen. Hebr.: Du thronst ewig (als König der Theokratie). - (20) Die Erinnerung an dich, die du dir durch deine Wundertaten gesichert. - (21) Sions. - (22) Die Diener Gottes fühlen sich in Babylon nicht heimisch, ihr Sehnen geht nach Jerusalem, ob dies auch in Trümmern liegt. - (23) Gottes eigene Ehre hängt von der Wiederherstellung Jerusalems ab, denn erst, wenn Sion wiederaufgebaut, bekehren sich die Völker. Vergl. [Jes 40,1-5]. - (24) Was über Sion V. 17, 18 gesagt ist. - (25) Die zukünftige Gottesgemeinde. - (26) Dem Himmel. - (27) Der bei der Wegführung Umgekommenen. - (28) Auf die Verheißungen begründete Hoffnung. Ehe Daniel seine Prophezeiung von den Jahrwochen noch gegeben, hoffte man wohl, dass das Ende des Exils und das Erscheinen des Messias zusammen falle. - (29) Sprach. - (30) Während Gott in seiner Streitmacht einherschreitet, fragt das zagende Volk, ob er es gänzlich vertilgen wolle. (Es spricht das Volk zu ihm auf seinem Machtwege.) Besser passt in den Zusammenhang das Hebr.: Er (Gott) hat gebeugt durch den Weg (der Leiden) seines (des Volkes) Kraft, hat verkürzt meine Tage. Ich sprach: Raffe mich nicht hinweg in der Hälfte meiner Tage. - (31) Die Sehnsucht, die neue Zeit zu erleben, gibt diese Bitte ein. - (32) Gottes unbeschränkte Herrschermacht ist ihm Gewähr für die Erhörung der Bitte. - (33) Wie der Mensch leicht ein Gewand wechselt, so leicht wandelst du Himmel und Erde. Vergl. [Jes 51,6]. - (34) Die Verse 26-28 bezieht der Apostel [Hebr 1,10-12] auf Christus. Derselbe Gott, den der Dichter als den Unwandelbaren bekennt, ist der, der kommen soll, der Heiland. - (35) Zwar fiel die Ankunft des Messias nicht mit der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft zusammen, aber doch war diese ein Typus der Lösung aus der Gefangenschaft der Sünde durch den Messias und des Aufbaues des geistigen Sion, der Kirche. Was der Sänger in geringerem Maße von Gott erwartete, hat Gott, Mensch geworden, im vollsten Maße gewährt. – Als Bußpsalm richtet dieser Psalm den Blick auf die schlimmen Folgen der Sünde wie auf den mächtigen Erbarmer und die Befreiung von der Sünde.

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