Petrus
Die zwei Briefe des heiligen Apostels Petrus.
Das Leben des heil. Simon Petrus, des Apostelfürsten [Mt 16,16ff] und Oberhirten der Herde Christi [Joh 21,13ff], wird in den heil. Evangelien [Joh 1,40-42, Mt 4,18-20, Lk 5,1ff, Mt 26,37, Joh 6,68.69, Mt 16,21ff, Mt 17,24-26, Joh 13,1-10, Mt 26, Joh 18,20.21] und der Apostelgeschichte (Kap. 1 – 12, vergl. [Gal 2,11]) in seinen Hauptpunkten dargestellt. Was nach seiner wunderbaren Befreiung aus der Hand des Herodes und der dogmatischen Entscheidung über die Unverbindlichkeit des Mosaischen Gesetzes für die Heidenchristen auf dem Apostelkonzil zu Jerusalem weiter mit ihm geschehen ist, darüber schweigt die heil. Schrift, in der wir nur noch eine Andeutung finden, dass er seinen ersten Sitz in Antiochia aufgeschlagen. Sehr wahrscheinlich ist, dass er im Jahre 42 nach Rom kam, wo er seinen Sitz als Haupt der Kirche nahm und 25 Jahre später, an demselben Tage wie der heilige Paulus, im Jahre 67 den Märtyrertod erlitt. Doch Rom vermochte ihn nicht so für sich in Anspruch zu nehmen, dass e nicht die Kunde des Evangeliums auch in andere Länder getragen hätte. Wenigstens einmal noch (nach der Vertreibung der Juden aus Rom im Jahre 50) war er, wie der heil. Lukas bezeugt, in Jerusalem, eine kurze Zeit weilte er in Korinth und unternahm noch andere apostolische Reisen, wie der heil. Paulus andeutet. [Gal 2,8, 1Kor 9,5] Der erste Brief des heil. Petrus ist an Gemeinden gerichtet, welche der heil. Paulus oder seine Jünger gegründet. Dieselben bestanden zum größeren Teile aus Heidenchristen, wie der Brief selbst zeigt. Da nun der heil. Paulus erst auf seiner dritten Missionsreise die Provinzen Asiens durchzog, ist dieser Brief erst nach derselben geschrieben, etwa am Schlusse des Jahres 64 oder am Anfang 65, in eben jenem Jahre, in welchem Nero die Christen der Brandstiftung an der Stadt Rom beschuldigte. Aus diesem Grunde zeigt sich auch eine gewisse Ähnlichkeit zwischen diesem Briefe und einigen Briefen des heil. Paulus, besonders dem an die Epheser gesandten, die der heil. Petrus gelesen hatte. (Vergl. [1Petr 3,22] mit [Eph 1,20.21] und dazu das Zeugnis des heil. Petrus [2Petr 3,15])
Für die Authentizität des ersten Briefes weist das christliche Altertum so viel zeugen auf, dass es schwer zu verstehen ist, wie einige Nationalisten unserer Zeit dieselbe in Zweifel ziehen konnten. Den Zweck des Schreibens gibt der Apostel selbst an [1Petr 5,12]: „Ich habe euch in Kürze geschrieben, um euch zu ermahnen und zu bezeugen, dass dies die rechte Gnade Gottes ist, in welcher ihr steht.“ Die Verfolgungen und Leiden konnten die Christen wankend machen im Glauben, wenn sie durch das Bekenntnis desselben sich diese Verfolgungen zuzogen, als ob Gott sie nicht schützen wollte; es galt also, ihnen die Göttlichkeit der Lehren des Christentums von neuem zu bezeugen. Zugleich aber mahnt er sie, durch eine den Vorschriften des Christentums entsprechenden Lebenswandel die Verleumdungen der Heiden als falsch zu erweisen. Entgegen der Methode des heil. Paulus lässt er nicht auf einen dogmatischen Teil praktische Ermahnungen folgen, sondern ermuntert die Christen im gesamten Briefe, an den passenden Stellen die Beweise für die Wahrheit der Religion einfügend.
Den zweiten Teil schrieb der heil. Petrus unmittelbar vor seinem Tode, dessen Nähe ihm geoffenbart war, am Ende des Jahres 66 oder am Anfange 67. Der Brief ist an dieselben asiatischen Gemeinden gerichtet, an welche auch der erste gerichtet war. Während der beiden Jahre, die zwischen den beiden Briefen liegen, war im Stande jener Gemeinde eine Änderung eingetreten. Jene Verfolgung, zu deren Ertragung er die Christen ermutigt hatte, war zu Ende, doch eine schlimmere Gefahr drohte den Christen von einer häretischen Sekte, welche den Glauben der Neubekehrten nicht mit Gewalt, wohl aber mit Hinterlist und Irrtümern zu vernichten suchte. Wie es scheint, kämpften diese Irrlehrer, indem sie einige Texte des heil. Paulus missbräuchlich anführten, gegen das Sittengesetz und suchten die Christen zur Unsittlichkeit und zu anderen Lastern, denen sie sich selbst hingaben, zu verführen. Um dieses Ziel lichter zu erreichen, leugneten sie die Gottheit Jesu Christi und fochten mit Spöttereien die Möglichkeit der Wiederkunft Christi an. Wie es scheint, kämpfte der heil. Petrus gegen die gleichen Irrlehrer, gegen welche schon der heil. Jakobus seinen Brief gerichtet. Diese hatten auf missverstandene Worte des heil. Paulus gestützt, antinomistische Irrtümer verbreitet, indes ihre ganze Verkehrtheit noch nicht offenbart. Die Häretiker, welchen der heil. Judas in seinem Briefe entgegentritt, hatten zur Theorie bereits die Praxis hinzugefügt und verführten die gläubig Gewordenen nicht weniger durch das Beispiel als durch das Wort. Um nun den Gläubigen die Furcht vor den Drohungen zu nehmen, mit denen der heil. Judas sie geschreckt, überschütteten sie die Lehre von der Wiederkunft Christi und dem zukünftigen Gerichte mit Spott, weshalb der heil. Petrus, sich gleichfalls gegen sie wendend, auch diese Verwegenheit strafen muss. Was der Apostel Johannes in seiner Offenbarung von den Nikolaiten sagt, zeigt uns diese Irrlehrer bereits in der höchsten Verstockung. [1Petr 2,4.14ff]
Der zweite Brief ist also gleichsam das Testament der Hirtensorge des heil. Petrus für die asiatischen Kirchen. Die Gottheit Christi zu verkünden, den er überall unsern Gott und Heiland nennt, und die Christen im Glauben zu bestärken durch die Erinnerung an das Gute, das sie empfangen, und sie vor den Gefahren, welchen die Verführer sie aussetzten, zu warnen, ist die Absicht dieses letzten Briefes.
- Die Bibel: