Korintherbrief

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Die zwei Briefe des heiligen Paulus an die Korinther

Erster Korintherbrief

Korinth war die Hauptstadt der griechischen Provinz Achaja, des heutigen Morea, auf der Landenge zwischen dem Jonischen und Agäischen Meere gelegen, eine reiche Handelsstadt mit zwei Häfen, ein Sitz des Venusdienstes und der Üppigkeit, aber auch der Gelehrsamkeit und Redekunst. Paulus war auf seiner zweiten Bekehrungsreise [Apg 15,40] von Athen aus [Apg 13,1] im Jahre 52 dahin gekommen und hatte ein und ein halbes Jahr mit solchem Erfolge daselbst gepredigt, dass er eine zahlreiche Gemeinde bilden konnte, die jedoch mehr aus bekehrten Heiden als Juden bestand; denn viele hatten sich, wie überall, auch hier widerspenstig gezeigt. [Apg 18,6.12, Apg 13,45] Auch in der Provinz Achaja gründete der Apostel zahlreiche Gemeinden, deren Mittelpunkt Korinth wurde. Er blieb bis zum Herbst des Jahres 54 in Korinth. Als er aber abgereist war und sich nach Ephesus begeben hatte, um von da nach Jerusalem zu gehen [Apg 19,21], kehrten viele Christen zu ihrer früheren ausschweifenden Lebensweise zurück und veranlassten den Apostel zur Abfassung eines Briefes an die Korinther, der aber verloren gegangen ist, in dem er den Gläubigen allen Umgang mit verdorbenen Menschen untersagte. Vergl. [1Kor 5,9]. Während des Apostels Abwesenheit kam auch Apollo nach Korinth [Apg 18,24, Apg 19,1], ein großer christlicher Schriftgelehrter, der zwar von der Lehre des Paulus nicht abwich, vergl. [1Kor 3,16.12], aber sich doch durch eine gewisse Anbequemung an die griechische Beredsamkeit und durch eine noch größere, besonders in Alexandria übliche allegorische Anwendung der heil. Schrift von ihm unterschied. Da diese Lehrweise erhabener und beredter schien, zogen einige von den Neubekehrten den Apollo seinem Meister und geistlichen Vater Paulus vor. Kaum hatte Apollo Korinth verlassen, als eine Spaltung sich zu zeigen begann, da judaisierende Pseudoapostel, welche alle von Paulus gestifteten Kirchen in Verwirrung brachten, in der Stadt erschienen. Obgleich die Zahl der Judenchristen keine große war, wagten jene Lehrer es dennoch, von allen Christen die Beschneidung und die Beobachtung des mosaischen Gesetzes zu fordern, indem sie die Autorität des heil. Petrus geltend machten, das Ansehen des heil. Paulus herabzusetzen suchten und die Vorrechte der Juden priesen. Vergl. [1Kor 9,1, 1Kor 15,9ff, 2Kor 10-12]. So kam es, dass auch andere sich nach dem Lehrer zu nennen begannen, dem sie den Vorzug vor anderen gaben, und dass drei Parteien entstanden, welche den Namen Paulus, Apollo, Kephas als ihre Losung ausgaben. Die größte Gefahr eines Schismas drohte. Dieselbe wuchs noch dadurch, dass auch verschiedene Laster sich unter den Gläubigen immer weiter verbreiteten und selbst offen zu Tage traten. Die Mahnungen, welche der heil. Paulus sie in seinem (uns verloren gegangenen) Briefe erteilt, hatten die Korinther über ihren Parteibestrebungen nicht beachtet, und so war es allmählich dahin gekommen, dass nicht nur einige die Unzucht als eine an sich nicht böse Sache betrachteten, vergl. [1Kor 6,12ff], sondern auch einer, der seine Stiefmutter zur Ehe zu nehmen gewagt, in der Kirche belassen war. [1Kor 5,1ff] Die Gewohnheit, bei römischen Gerichten Recht zu suchen, die Teilnahme an den heidnischen Opfermahlzeiten, die Heiraten mit Nichtchristen, das ehelose Leben (hierüber war Paulus befragt worden), die Verschleierung der Frauen bei gottesdienstlichen Versammlungen, gewisse Missstände bei der Feier des heiligen Opfers und des Abendmahles, die Geistesgaben, die Auferstehung von den Toten waren Veranlassungen zu mannigfachem Streite oder Unordnungen. Von alledem erhielt der Apostel auf seiner dritten Missionsreise (55 – 58) gegen Ostern des Jahres 58 Nachricht zu Ephesus [1Kor 16,8, Apg 18,19], teils durch Angehörige der Chloe, einer Christin in Korinth, teils durch Gerüchte. [1Kor 1,11] Er nahm daher, zumal, da die Gefahr einer Spaltung stetig wuchs, Veranlassung, Timotheus nach Korinth zu entsenden. [1Kor 4,17, Apg 19,22] Bevor dieser indes dorthin gelangte [1Kor 16,10ff], kamen drei Gesandte der christlichen Gemeinde zu Paulus, welche ihm verschiedene Zweifel zur Lösung vorlegten und von den traurigen Zuständen Bericht erstatteten. Um nicht mit harten Strafen einschreiten zu müssen [2Kor 1,23], wollte der Apostel sich noch nicht selbst nach Korinth begeben, sondern schrieb jenen Brief, den wir den ersten an die Korinther nennen; der zeitlichen Reihenfolge nach ist es der vierte oder fünfte von allen, welche der heil. Apostel verfasst hat. Da aber Korinth wie Rom die beiden Apostelfürsten zu Stiftern hatte (Dionysius, Euse., Kirchengeschichte 2,24), erhielten die beiden Briefe an die Korinther nach dem Briefe an die Römer, welcher der Zeit der Abfassung nach der sechste ist, ihren Platz in der Sammlung der heil. Schriften. Das Ziel des Schreibens ist ein doppeltes: Der Apostel will die jungen Christen von Korinth auf den rechten Weg der Tugend zurückführen und die ihm vorgelegten Fragen beantworten. Kein anderer Brief des Apostels behandelt so viele verschiedene Lehren, wie dieser.
Ohne die Rückkehr des Timotheus abzuwarten, der mit Erastus Macedonien und Achaja bereisen sollte [Apg 19,2, 1Kor 4,17, 1Kor 16,10], sandte Paulus Titus mit einem anderen Bruder nach Achaja, um dem Apostel aus Korinth Nachricht zu bringen. Inzwischen wollte er selbst noch einige Wochen in Ephesus bleiben, von wo aus er den ersten Brief gesendet, und alsdann die Reise antreten, von welcher er den Korinthern gesprochen. [1Kor 16,5] In Troas sollte Titus ihm Bericht erstatten, und nach demselben sollten die weiteren Entschlüsse gefasst werden. Kurz, nachdem Titus abgereist war, scheint Timotheus zu seinem Meister zurückgekehrt zu sein; indes waren die Nachrichten, welche derselbe dem Apostel brachte, wohl nicht geeignet, diesen zu beruhigen.
Eher als er erwartet, musste Paulus, durch den Aufstand des Demetrius gezwungen, Ephesus verlassen, so dass er Titus in Troas noch nicht antraf. Der heil. Paulus wünschte vor allem Nachrichten aus Korinth, weshalb er dem Titus nach Macedonien entgegeneilte. [2Kor 7,5ff] Der erste Brief hatte die Korinther betrübt, aber heilsam betrübt. [1Kor 7,9] Sie hatten die Vorschriften des Apostels befolgt, sehnten sich nach ihm selbst [1Kor 7,16] und hatten den Blutschänder aus der Kirche ausgestoßen. [1Kor 2,5ff] Freilich musste Titus auch manches minder Erfreuliche mitteilen: Noch immer hingen viele den falschen Lehren an, vor denen der heil. Paulus sie gewarnt. Der erste Brief, in welchem so viele Laster der Neubekehrten hart gerügt wurden, scheint zuerst bei vielen Anstoß erregt zu haben, was judaisierende Lehrer benützten, das Ansehen des heil. Paulus zu verkleinern und demselben den heil. Petrus entgegenzustellen, dem Völkerapostel fast seine Würde als Apostel absprechend. Sein Brief musste ihnen Waffen für die Anschuldigung geben, dass Paulus leichtfertig und unbeständig [1Kor 1,15ff], ja selbst anmaßend und stolz sei, weil er sich selbst empfohlen habe [1Kor 3,1ff], feig, da er zwar in Briefen zu drohen, persönlich gegenwärtig aber sein Ansehen nicht zu wahren wisse. [1Kor 7,9ff] Ja sogar seine Uneigennützigkeit, welche ihn von den Gläubigen kein Almosen annehmen ließ, wurde verdächtigt. Mit einem Worte: auf jene Weise bemühten jene sich, das Ansehen des heil. Paulus zu vernichten und sich als wahre Apostel und hervorragende Diener Christi hinzustellen. [1Kor 10,7.12, 1Kor 11,5.23, 1Kor 12,11] u. a. Manche Christen schenkten den Verleugnungen Glauben, und so verschwanden die Spaltungen nicht sofort [1Kor 12,20], noch hüteten sich alle vor den von Paulus verurteilten Lastern, da auch, als Titus in Korinth weilte, einige der Unsittlichkeit noch nicht entsagt hatten. [1Kor 12,21, 1Kor 2,1]
Ehe Paulus sich selbst nach Korinth aufmachte, wollte er durch ein weiteres Schreiben seine Ankunft vorbereiten, damit dieselbe für alle freudenreich und nutzbringend werde [1Kor 2,1ff, 1Kor 12,20ff, 1Kor 13,10]; deshalb beschloss er, sein apostolisches Ansehen und die Art seines Vorgehens gegen die Verleugnungen der Gegner zu verteidigen und die Anmaßung der falschen Apostel zu Schanden zu machen. Eine besondere Veranlassung, vor seiner Ankunft noch einmal an die Korinther zu schreiben, bot auch die Kollekte, welche er für die armen Christen in Jerusalem angeordnet hatte [1Kor 16,2], und die wohl bei den Korinthern bisher keine besondere Teilnahme gefunden hatte. Er sendet also den Titus mit zwei Brüdern nach Korinth zurück, um die Sammlungen zu einem glücklichen Ende zu führen [2Kor 8,1], und übergibt ihm den Brief. [2Kor 8,16ff]

Der zweite Brief an die Korinther ist als Verteidigungsschrift des heil. Paulus ein Meisterwerk, das keinem Kunstwerke welches immer der gefeiertsten Redner nachsteht (Aug.). Wir sehen den Apostel als zärtlichen Vater, der seine Kinder mit betrübtem Herzen und mit aller Strenge wegen ihrer Vergehungen hat strafen müssen, mit Kummer und Besorgnis auf die Wirkung der Strafe harren, die Reumütigen mit doppelter Liebe umfassen, die verstockten Widersacher aber im Bewusstsein der Würde seines Apostelamtes und der Größe seiner Opfer für die Verbreitung des Evangeliums mit Festigkeit zurückweisen.

Zweiter Korintherbrief

Der zweite Korintherbrief ist ein erschütterndes Zeugnis des um seine Gemeinde sich sorgenden Apostels. Noch von Ephesus aus, wo der erste Brief an die Korinther geschrieben ist (vgl. [1Kor 15,32]), hatte er seinen Mitarbeiter Titus zur Beilegung neu entstandener Schwierigkeiten nach Korinth geschickt, und zwar mit einem Brief (vergl. [2Kor 2,3f 2Kor 7,8]), der uns nicht erhalten blieb. In Macedonien konnte Paulus endlich den zurückkehrenden Titus treffen, von ihm beruhigende Kunde erfahren, aber auch Nachricht von neu einsetzender Wühlarbeit seiner judaistischen Gegner. Aus dieser Situation, zeitlich wohl im Jahre 57, schrieb er den vorliegenden Brief, der in bewegtem Wechsel der Gedanken und Stimmungen sich zunächst an die Korinther wendet, um das Verhältnis zwischen Apostel und Gemeinde vom Grundsätzlichen her klarzulegen (1,12 - 7,16), und nach einem ruhig gehaltenen Mittelstück über die vorzunehmende Kollekte (8,1 - 9,15) eine tief erregte Auseinandersetzung und Abrechnung mit den Gegnern bringt (10,1 - 13,10), die uns das menschliche Empfinden des Apostels ergreifend offenbart.