Kategorie:BIBLIA SACRA:AT:Dan09
Prophetia Daniel. Caput IX.
Prophezeiung des Daniel Kap. 9
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1. In anno primo Darii filii Assueri de semine Medorum, qui imperavit super regnum Chaldæorum: 2. Anno uno regni ejus, ego Daniel intellexi in libris numerum annorum, de quo factus est sermo Domini ad Jeremiam prophetam, ut complerentur desolationis Jerusalem septuaginta anni. 3. Et posui faciem meam ad Dominum Deum meum rogare et deprecari in jejuniis, sacco, et cinere. 4. Et oravi Dominum Deum meum, et confessus sum, et dixi: Obsecro Domine Deus magne et terribilis, custodiens pactum, et misericordiam diligentibus te, et custodientibus mandata tua. 6. Non obedivimus servis tuis prophetis, qui locuti sunt in nomine tuo regibus nostris, principibus nostris, patribus nostris, omnique populo terræ. 7. Tibi Domine justitia: nobis autem confusio faciei, sicut est hodie viro Juda, et habitatoribus Jerusalem, et omni Israel, his qui prope sunt, et his qui procul in universis terris, ad quas ejecisti eos propter iniquitates eorum, in quibus peccaverunt in te.
9. Tibi autem Domino Deo nostro misericordia, et propitiatio, quia recessimus a te: 11. Et omnis Israel prævaricati sunt legem tuam, et declinaverunt ne audirent vocem tuam, et stillavit super nos maledictio, et detestatio, quæ scripta est in libro Moysi servi Dei, quia peccavimus ei. 12. Et statuit sermones suos, quos locutus est super nos, et super principes nostros, qui judicaverunt nos, ut superinduceret in nos magnum malum, quale nunquam fuit sub omni cœlo, secundum quod factum est in Jerusalem. 13. Sicut scriptum est in lege Moysi, omne malum hoc venit super nos: et non rogavimus faciem tuam Domine Deus noster, ut reverteremur ab iniquitatibus nostris, et cogitaremus veritatem tuam. 16. Domine in omnem justitiam tuam: avertatur obsecro ira tua, et furor tuus a civitate tua Jerusalem, et monte sancto tuo. Propter peccata enim nostra, et iniquitates patrum nostrorum, Jerusalem, et populus tuus in opprobrium sunt omnibus per circuitum nostrum. 22. Et docuit me, et locutus est mihi, dixitque: Daniel nunc egressus sum ut docerem te, et intelligeres. 23. Ab exordio precum tuarum egressus est sermo: ego autem veni ut indicarem tibi, quia vir desideriorum es: tu ergo animadverte sermonem, et intellige visionem. 24. Septuaginta hebdomades abbreviatæ sunt super populum tuum, et super urbem sanctam tuam ut consummetur prævaricatio, et finem accipiat peccatum, et deleatur iniquitas, et adducatur justitia sempiterna, et impleatur visio, et prophetia, et ungatur Sanctus sanctorum. 26. Et post hebdomades sexaginta duas occidetur Christus: et non erit ejus populus, qui eum negaturus est. Et civitatem, et sanctuarium dissipabit populus cum duce venturo: et finis ejus vastitas, et post finem belli statuta desolatio. 27. Confirmabit autem pactum multis hebdomada una: et in dimidio hebdomadis deficiet hostia et sacrificium: et erit in templo abominatio desolationis: et usque ad consummationem et finem perseverabit desolatio.
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Fußnote
Kap. 9 (1) Über Darius, Enkel des Cyaxares I., siehe [Dan 5,Anm.25]. - (2) Als König eingesetzt war, wie [Dan 5,31]. - (3) Daniel hatte also die Prophezeiungen des Jeremias gelesen. Der hebräische Ausdruck weist darauf hin, dass diese bereits mit anderen Büchern vereinigt waren. Die Erwähnung der Verwüstung Jerusalems weist auf [Jer 25,9]. Für das Land setzt Daniel Jerusalem allein. Da aber Daniel das erste Jahr erwähnt, in dem ein fremder Fürst über die Chaldäer herrscht, und jetzt die Befreiung erwartet, bezieht er sich auf [Jer 29,10]. Anders wird das siebzigste Jahr [Sach 1,12] bestimmt. – Die siebzig Jahre beginnen von dem Jahre, in dem die Weissagung über das Reich Babylon gegeben ist, so dass siebzig Jahre nach dem vierten Jahre des Joakim das babylonische Reich stürzen soll, ein Ereignis, mit dem die Befreiung der Juden aufs engste verbunden ist. – Aus beiden angeführten Stellen erkannte Daniel, dass nach der Eroberung Babylons durch Cyrus 539 oder 538 v. Chr. die Zeit der Erlösung da sei. - (4) Hebr.: Um unter (durch) Fasten und in Sack und Asche (das rechte) Gebet und Flehen zu finden. – Wir müssen also Gott auch um das bitten, was er versprochen zu geben, die Verheißung Gottes macht den Propheten nicht lässig, sondern spornt ihn zum Gebete an. Ob nicht vielleicht auch die Furcht ihn anwandelt, das Volk könne durch seine Sünden die Erfüllung verschieben lassen? - (5) Daniel erinnert an Baruch [Baru 2,15ff], wie er auch an anderen Stellen die Psalmen vor Augen hat und Sätze aus dem Pentateuch und Jeremias einflicht. - (6) [5Mos 7,21.9] u.a. [1Koe 8,23] Als groß und schrecklich haben die Verbannten Gott kennen gelernt, daher müssen sie bekennen, dass sie gesündigt, doch Gottes Barmherzigkeit weckt in ihnen die Hoffnung auf Vergebung. - (7) Hebr.: Haben uns aufgelehnt. - (8) Sie bekennen die Schuld des Volkes, an der auch sie Anteil haben. - (9) Hebr.: Haben uns aufgelehnt. - (10) Die [5Mos 28,15] angedroht sind und die das Volk [5Mos 32,40-42] auf sich herabgewünscht hat. Vergl. [3Mos 26,16; 5Mos 27,14]. - (11) Auch mit einem Eide hat Gott oftmals seine Drohungen bekräftigt. [4Mos 32,10; 5Mos 1,34] - (12) Vergl. [Baru 2,1.2; Klagel 2,17; Ez 5,9]. - (13) Nicht einmal, als Gottes Strafen uns heimsuchten. - (14) Vergl. [Mic 7,9; Jer 3,25]. - (15) Jene Großtaten Gottes, die Daniel nunmehr erwähnt, sind sichere Beweise und Unterpfänder, dass Gott das Heil seines Volkes will. - (16) Hebr.: O Herr, gib doch, gemäß der Barmherzigkeit, die du immer bewiesen hast, dass dein Zorn und Grimm von deiner Stadt Jerusalem usw.. Es handelt sich um Gottes Ehre. - (17) Hebr.: Lass leuchten: Schaue mit gütigem Angesichte auf usw. - (18) Vergl. [Jes 48,11]. - (19) Zuerst bittet er, Gott möge sein Ohr neigen und auf die Bitte hören und das Bitten nicht verschmähen, dann: er möchte, wenn er gehört, gnädig sein und gnädig aufmerken, endlich das vollbringen, um was er gebeten wird. Der Prophet fügt bei: Säume nicht, halte uns nicht für unwürdig. Der Schluss ist schön: Um deinetwillen, mein Gott. Auch bin ich nicht würdig, diese Gnade zu erflehen, doch dein Name ist angerufen. (Theod.) - (20) Der mir in der Gestalt eines Mannes erschienen war. - (21) Wie sehr müssen die Israeliten diesen heiligen Kult hochgehalten haben, da der Prophet noch von diesem Opfer spricht und zur Stunde desselben betet, obwohl der Tempel schon so lange zerstört ist (586-539)! Das Abendopfer Christi, das dieser am Kreuze darbringen wird, zeigt seine Kraft. – Statt „berührte mich“ hat Sept. und Syr.: Trat zu mir. Und dies ist auch der Sinn des Hebräischen. - (22) Von Gott. - (23) Darum hat ihn Gott alsbald erhört. - (24) Dass die Zahl 70 nicht unbestimmt für diese begrenzte Zahl zu nehmen ist, geht aus der Teilung derselben in 7 + 62 + 1 hervor, umso mehr als diese letzte Zahl wiederum geteilt wird. Dass die Wochen nicht Tages-, sondern Jahreswochen sind, ist allgemeine Ansicht der alten und neuen Erklärer und die allein richtige Auslegung. Denn über siebzig Jahre hatte Daniel seine Betrachtung angestellt, diese erwägend gebetet und wegen dieser Jahre die Befreiung erfleht. Der Engel kündet ihm, dass die Zeit siebzig „Wochen“ festgesetzt ist, damit die höchste und vollkommenste, die messianische Befreiung eintrete. Im Übrigen könnte auch das, was weiterhin gesagt wird, unmöglich innerhalb siebzig Tageswochen geschehen; oder wie sollte z.B. die Stadt in neunundvierzig Tagen erbaut werden? Auch war den Juden das Verständnis für Jahrwochen nicht schwer, da nach dem Gesetze jedes siebte Jahr ein Sabbatjahr war, ihnen also der Umlauf von sieben Zeiten wie in der Woche geläufig, so auch bei der Zählung des siebten Monats und des siebten Jahres bekannt. Vergl. [3Mos 25,8] hebr. Der Zeitraum von sieben Jahren war also allen ein bekannter. Spricht demnach der Engel Daniel, während er an die Jahre denkt, von Wochen, so konnte der Prophet nur an Jahrwochen denken. So erklären denn auch Clem. Alex., Tertull., Hippol., Afrikan., Euseb., Cyrill von Jerusalem und, wie Hier. bezeugt, selbst die Juden. Die letzteren freilich haben sich jetzt, um den Christen entgegentreten zu können, nicht zu beweisende neue Erklärungen gebildet. - (25) Hebr.: abgerissen, gleichsam als Teil von der Fülle der Zeiten, deshalb: bestimmt, festgesetzt. - (26) Dein Volk, deine Stadt, weil Daniel so inständig für beide gebetet hat. Zugleich zeigt Gott dadurch sein ganz besonderes Wohlwollen gegen Daniel, da er seinetwegen dem Volke Wohlwollen erweist. Die Stadt heißt heilig, obwohl sie darniederliegt, weil Gott dort seinen Tempel und seinen Sitz gewählt hat und die Stadt als Mittelpunkt der Theokratie wiederherstellen wird, weil an dieselbe so erhabene Weissagungen gebunden sind und sie das Bild des Messianischen Reiches ist. - (27) Wozu ist jene Zeit bestimmt? Zuerst werden drei Dinge angeführt, welche sich auf die Sünden beziehen, passend und dem Gebete Daniels entsprechend. Hebr.: Damit der Frevel (Abfall) vernichtet werde, den Sünden Einhalt getan, die Schuld gesühnt werde. Nicht allein wird kein Abfall von Gott des Bundes mehr sein, sondern auch die Gottes Majestät angetane Unbill und die Vernachlässigung der heiligen Gebote des Herrn werden aufhören und alle Schuld getilgt durch volle seiner Gerechtigkeit geleistete Genugtuung. Ist die Sühne geleistet, so wird Gott Verzeihung gewähren und dem Volke seine Gnade schenken. Die drei genannten Güter werden in den Prophezeiungen oft als Zeichen der Ankunft des Messias angegeben; so [Jes 4,4; Jes 53,4-12; Jes 60,18; Jer 3,17; Jer 30,21; Jer 31,34; Ez 11,19; Ez 36,26; Hos 2,17; Hos 14,5; Mic 7,18; Zeph 3,13] u.a. Die Sünde ist durch den Tod Christi gesühnt. Sie hat auch ein Ende gefunden, insofern uns Christus aus der Knechtschaft der Sünde befreit, uns den Heiligen Geist und die Gnaden verdient hat, welche uns instand setzen, die schweren Sünden zu meiden, und als der Herr uns in den Sakramenten und anderen Heilsmitteln die wirksamsten Heilmittel der Sünde gewährt hat. - (28) Im zweiten Teil des Verses werden die Güter angegeben, welche uns nach Tilgung der Sünden zuteil werden sollen: dass der Zustand eintritt, den Gott wünscht und nach dem die Menschen ihr Leben einrichten sollen. Jene Heiligkeit wird herrschen, welche bei den Propheten beständig als Merkmal des Messianischen Reiches beschrieben wird, und diese neue und heilige Ordnung wird ewig dauern, das Messianische Reich wird nicht infolge der Sünden aufhören, wie das alte gemäß der Verheißung [Hos 2,19]. Fast nirgends sprechen die Propheten von dem Messianischen Reiche, ohne mit ausdrücklichen Worten oder durch Symbole jene Heiligkeit zu preisen. Vergl. [Ps 71; Jes 11,9; Jes 12,1-6; Jes 54,10; Jes 60,13; Jes 65,17ff; Jer 9,13; Mic 7,14; Zeph 3,13-20]. Hierher gehören auch alle Stellen, in denen von dem geistigen Charakter des neuen Gottesreiches die Rede ist. - (29) Hebr.: Und damit versiegelt werde Gesicht und Propheten. Die Erklärer geben eine doppelte Auslegung. Die einen: Durch die Erfüllung wird die von den Propheten ausgegangene Weissagung als göttlich bewiesen und besiegelt. (Clem. Alex. m. Tertull., Hip., Polychron., Ephr.) Andere erklären: Die Prophezeiung wird ein Ende nehmen (Afrik., Aug., Chrys., Basil.), Eus. Theodor u.a. vereinigen beides. In der Tat bestätigt die Erfüllung die Göttlichkeit der Prophezeiungen des A. B. und andererseits hören diese, da sie das neue Gottesreich voraus verkünden, mit dem Eintritt desselben auf. Indes ist doch die an erster Stelle angeführte Erklärung vorzuziehen: denn im Messianischen Reiche werden Gesichte und Prophezeiungen nicht aufhören, sondern vielmehr alle Gnadengaben in Fülle gespendet werden, wie [Joe 2,28] verkündet. Besiegeln bedeutet ferner auch wirklich einem Schreiben die höchste Glaubwürdigkeit verschaffen, vergl. [1Koe 21,8; Est 8,8]; die Erfüllung aber ist für die Menschen das göttliche Siegel für die Prophezeiungen, die Botschaften und Briefe von Gott. Dass aber die Geistgaben gehemmt werden, Gesicht und Prophezeiung wie die Sünde gehemmt wird, wer möchte dies sagen? - (30) Dritte Verheißung. Hebr.: Dass das Allerheiligste gesalbt werde. – Die Erhörung entspricht in allem der Bitte Daniels. Er hat den Herrn angefleht nicht zu zögern, alsbald wird der Engel zu ihm gesendet, ihm Gottes Absichten kundzutun. Er hat gefleht, es möchte die Sünde nachgelassen werden, und es wird ihm Nachlass und Sühnung der Sünden verheißen und die Herbeiführung ewiger Gerechtigkeit versprochen. Er hat gebeten, es möchte die Weissagung des Propheten Jeremias, dass die Verwüstung aufhören solle, erfüllt werden, und es wird ihm die Erfüllung alter Gesichte und Prophezeiungen verheißen. Eines ist noch übrig: Er hat zu Gott gefleht, er möchte seinen Zorn von der Stadt Gottes und seinem heiligen Berge wenden. (V. 16, 17, 20) Alle übrigen Bitten sind weit über das hinaus gewährt, was sie erflehten, so muss Gott auch die Bitte um die Wiederherstellung des Heiligtums in vorzüglicher Weise erhören. Demgemäß wird Daniel verheißen, dass eine ganz heilige Wohnung Gottes bestehen soll, mit seinem Geiste erfüllt und geweiht, die in sich auf das vollkommenste zum Ausdruck bringt, wovon das alte Heiligtum Bild und Schatten gewesen. Ist im Vorhergehenden jedes neue Glied der Verheißung eine Steigerung des vorausgehenden gewesen, so muss das letzte alle in sich begreifen und zur höchsten Vollendung führen. Diese Prophezeiung ruft alle jene Verheißungen wach, in denen dies ganze neue Gottesreich so bezeichnet wird, wie im A. B. nur das Allerheiligste. [Jes 4,5; Jer 3,17; Ez 37,26.27] und [Ez 43,12] Doch von wem soll der heiligste Tempel, der Wohnsitz Gottes, gesalbt werden? Das Heiligtum des Alten Bundes wird auf Gottes Befehl von Moses, dem Diener Gottes, gesalbt und geweiht [Ez 30,25ff; Ez 40,9; 3Mos 8,10]; im Neuen Bunde ist es Gott selbst, sein Geist, der salbt. Doch wo haben wir diese neue und hochheilige Wohnung Gottes zu suchen? Wenn wir [Ps 44,8; Jes 61,1] alles, was die früheren Propheten vom neuen Heiligtum Gottes verkündet haben, erwägen und die Erfüllung selbst im Neuen Bunde ins Auge fassen, so ist jenes Allerheiligste, das Gott selbst salbt, die Kirche Christi, der mystische Leib mit seinem Haupte, das Christus ist, Christus selbst, insofern er die Kirche als seinen mystischen Leib sich bildet. Die Kirche ist die Wohnung Gottes unter den Menschen [2Kor 6,16], sie der Tempel, den der Messias Jahve bauen soll [Sach 6,13], sie das Haus, das der wahre Salomon, um das Vorbild Salomons in sich zu erfüllen, dem Namen des Herrn bauen wird. [2Sam 7,13] In diesem Tempel Gottes, dem mystischen Leibe Christi, werden den Menschen jene Güter zuteil, welche vom Engel zuvor aufgezählt sind: Der Frevel wird getilgt usw. Christus ist, da in ihm die Gottheit leiblich wohnte, in seiner heiligsten Menschheit durch dieselbe gesalbt; was dem Haupte geschehen, muss auch den Gliedern in ihnen angemessener Weise durch ihn zuteilwerden. Er ist das Haupt, wir die Glieder; er der Weinstock, wir die Reben; er das Fundament, wir der heilige Tempel Gottes [Eph 2,21.22]; er der Bräutigam, die Gläubigen die Braut. So wird den Geschöpfen durch ihre Vereinigung mit Christus auch eine gewisse Heiligkeit und Salbung und akzidentelle Einwohnung Gottes zuteil. Das Allerheiligste (der Allerheiligste) ist also Christus, wie fast alle heiligen Väter und katholischen Erklärer diese Stelle erklären, Christus, der durch die Gottheit gesalbt und geweiht ist als heiligster Hoherpriester, König, Gesetzgeber, Lehrer und Erlöser. Indes nicht von Christus allein und ausschließlich ist hier die Rede, wie bereits gesagt ward, denn wie würde sonst das Gebet Daniels mit der Erhörung übereinstimmen? Er bittet um Wiederherstellung des Tempels, eine Bitte, deren Erfüllung nicht in Christus allein voll ist. Weiter würde die Aufzählung der Güter im letzten Gliede ohne Ordnung sein, dass nicht die Zeitfolge diese bildet, ist klar; und die Salbung Christi allein ist in sich die bewirkende und verdienstliche Ursache jener Güter, die Ursache aber kann nicht nach den Wirkungen, die sie hervorbringt, und in gleicher Linie mit den Wirkungen genannt werden. Dazu kommt, dass in diesem Verse keine bloße Aufzählung geboten, sondern die Zeit bestimmt wird, zu der oder vielmehr bis zu welcher diese Wirkungen geschaffen werden sollen. Mithin kann nicht das, was Ursache und Bedingung von allem ist, an die letzte Stelle gesetzt und in gleicher grammatischer Form als eine durch die andere fortgesetzte Wirkung hingestellt werden. – In der Kirche ist die Prophezeiung vollkommen erfüllt. Sie ist in der siebzigsten Jahrwoche gesalbt worden, sie ist ins Leben gerufen, wie die übrigen Gnaden, welche aufgezählt werden, sie ist gleichsam die Schatzkammer, in welcher jene anderen Gaben für die Menschen bewahrt und durch welche jene den einzelnen zuteil werden. Durch die Kirche wird das Werk der Erlösung zu Ende geführt, da durch sie die Früchte derselben allen Geschlechtern zuteil werden. Auch der Ausdruck Kodesch kodaschim, das Allerheiligste, kann ja direkt und unmittelbar nicht auf eine Person bezogen werden, da er stets nur von Dingen angewendet wird, die Gott in besonderer Weise geheiligt werden, sondern muss, wie aus [Ez 43,12] und [Ez 45,3] u.a. Stellen erhellt, von einem heiligen Tempel verstanden werden, der zur Zeit des Messias zur Wohnung Gottes geweiht wird, einem Tempel, der, wie Zacharias später verkündete vom Messias selbst errichtet wird. [Dan 6,13] - (31) Diese Mahnung weist auf die Wichtigkeit der weiteren Erklärung hin, die sich, wie schon die Verteilung der siebzig Jahrwochen zeigt, eng an V. 24 anschließt. - (32) Nicht die gleiche Verheißung wie V. 23, da diese Messianische Güter betrifft. Auch auf die Prophezeiungen anderer Propheten kann das Wort sich nicht beziehen, da keine Andeutung gegeben wird, auf welche von diesen die Worte gehen sollten. Es ist also von der Zukunft zu verstehen. Der Ausdruck: Ein Wort geht aus: wird häufig von den göttlichen Verheißungen gesagt, wie [Jes 45,23] und [Jes 48,3; Ez 33,30]. Der Zeitpunkt, von dem aus zu rechnen ist, ist also der Augenblick, in dem klar und deutlich ein Befehl gegeben wird, die Stadt zu bauen. Ob dieses Wort von Gott selbst ausgehen soll oder ob Gott seinen Willen durch einen König kundtun wird, dem die Juden unterworfen sind, oder auf andere Weise, wird hier nicht gesagt. Nur die Mahnung wird gegeben, auf die Zeit zu achten, wo dies geschieht. Wie also Daniel und seine Zeitgenossen auf diesen Zeitpunkt warten mussten, so müssen wir aus der Geschichte feststellen, wann der Befehl ergangen ist. Es kann dies nicht das Dekret des Cyrus sein, da in diesem nur vom Tempel, nicht von der Stadt die Rede ist. Einzig in Frage kommt das siebte und das zwanzigste Jahr des Artaxerxes. [Esr 7; Neh 2,7-9] Im letztgenannten Jahre ward die Erlaubnis sicher erteilt, doch auch im siebten Jahre, wie diese selbst und das Vorgehen Esdras und Nehemias zeigt. Vergl. [Esr 9; Neh 1,3ff; Neh 2,3] Der Bau ward begonnen, die Mauer errichtet und Tore eingesetzt, doch alsdann das Werk wieder gestört. (Bedrängte Zeit.) Da Xerxes im Jahre 465 getötet ward, fällt das siebte Jahr des Artaxerxes wahrscheinlich in das Jahr 457, wenn Esdras die bei den Persern gebräuchliche Zählung anwendet. Demnach ist das siebte Jahr das 299. nach Erbauung der Stadt, neunundsechzig Wochen oder vierhundertdreiundachtzig Jahre waren im Jahre 782 nach Gründung der Stadt Rom, also im Jahre 29 unserer Zeitrechnung um; da nicht feststeht, wann Christus geboren ward, lässt sich nicht alles ohne Gefahr eines kleinen Irrtums bestimmen. Fügen wir zu 457 v. Chr. 483 Jahre hinzu, so ergibt sich das Jahr 26. Nach einigen ward der Heiland im Jahre 29 unsrer Zeitrechnung, nach anderen im Jahre 26 getauft. Viele unter den Älteren wie manche unter den Neueren beginnen die Zählung mit dem zwanzigsten Jahre des Artaxerxes und dem [Neh 2,5-8] erwähnten Dekrete. (Afrik., Chrysost., Isidor. Pelus., Albert d. Gr.) Alle Väter fassen die Stelle von Christus. - (33) Wie schon in V. 24 gezeigt ist, handelt es sich um Messianische Güter. Demgemäß und nach anderen Prophezeiungen soll in der siebzigsten Jahrwoche die Messianische Zeit erscheinen; mithin ist der Gesalbte der Stifter des neuen Gottesreiches, der Messiaskönig. Die siebzig Jahre werden so in drei Teile geteilt, dass jedem Teil ein bestimmtes Ereignis zugeschrieben wird: V. 27 in einer Woche Festigung des Bundes, nach zweiundsechzig Wochen soll der Gesalbte getötet werden (V. 26) demnach bleibt für die Zeit von sieben Wochen nur noch der Wiederaufbau der Straßen und Mauern. Auf die sieben Jahreswochen folgen zweiundsechzig, an deren Beschluss der Gesalbte getötet wird. Diese Einteilung entspricht auch dem Verse 24, in dem die Messianischen Güter für die siebzig Wochen verheißen werden, Güter, welche doch vom Messias gebracht werden. Nach dem Masoreth. Texte kann es freilich zweifelhaft sein, ob die zweiundsechzig Wochen zu der vorausgehenden Satzhälfte gehören oder zu der folgenden, aber da die syrische Übersetzung unsere Teilung andeutet und Theodotio mit Vulgata übereinstimmt, hatte wohl der hebräische Text ursprünglich die rechte Teilung. Doch ist der Gesalbte der Messias? Aus den Voraussagungen der übrigen Propheten sind zwei Dinge klar: Es wird ein Sohn Davids kommen, der Davids Thron auf ewig festigt, der Sprosse des Herrn, der gerechte Sprosse, der in Recht und Gerechtigkeit herrschen wird, dessen Herrschaft ewig dauert, der der vom Herrn erweckte Hirt ist. [Ps 71; Ps 109; Jes 4,2; Jes 9,6.7; Jes 11,1ff; Jer 23,5; Jer 33,16; Ez 34,23; Hos 3,5; Amos 9,11; Mic 5,2] Sodann: Nach dem Untergang des Reiches, der Zerstörung der Stadt und der Wegführung des Volkes wird kein theokratischer König mehr sein als der Messias. [Jer 22,30; Ez 17,22] und [Ez 21,25-27] Auch andere Propheten deuten dies zur Genüge an: [Hos 3,3; Amos 9,11; Jes 42,1ff; Jes 49,1ff; Jes 59,20 - Jes 61; Mic 2,12-13; Jer 31,22] u.a. Diese Prophezeiungen waren bekannt. Wie also Daniel denselben in V. 24 Ausdruck gibt, so redet er denselben gemäß auch in V. 25. Da er also den Gesalbten nennt und ihn dazu als Fürsten beschreibt, kann nach den früheren Prophezeiungen kein anderer verstanden werden, als der, welcher gesalbter und Herrscher mit vorzüglichem Rechte heißt, der Messiaskönig (wie die syrische Übersetzung gut wiedergibt); da auch von den Priestern das Wort Gesalbter gebraucht wird [3Mos 4,3.5.16; 3Mos 6,15], kann auch diese Würde noch mitverstanden werden [Ps 109], umso mehr, als sich der Messias am Kreuze selbst opferte und durch sein Opfer den Opfern des Alten Bundes ein Ende machte. - (34) Durch neunundvierzig Jahre soll Jerusalem wieder aufgebaut werden, also bis zum Jahre 408 etwa. Sichere Zeugnisse, ob es so geschehen ist, fehlen, doch lässt sich aus den vorhandenen die Ausführung schließen. Esdras kehrte um 457 nach Judäa zurück, dreizehn Jahre später kam Nehemias, der durch zwölf Jahre in Juda Führer war [Neh 5,14; Neh 13,6] und dann zu Artaxerxes zurückkehrte, doch später wieder nach Judäa kam. - (35) Der Seher erklärt jetzt, was nach den zweiundsechzig Wochen geschehen soll, zugleich durch die Wiederholung von zweiundsechzig andeutend, dass die sieben Wochen sich auf den Aufbau Jerusalems beziehen. - (36) Hebr.: Maschiach, also der in V. 25 als gesalbter Fürst mit demselben Worte Bezeichnete. Von diesem also sagt Daniel voraus, was Isaias von dem Knechte Gottes. [Jes 53] Der Tod wird als ein gewaltsamer bezeichnet und zwar für schwere Vergehen, wie das hebräische Wort für „er soll ausgerottet werden“ andeutet. [1Mos 17,4] u.a. Dass diese Voraussagung an Christus in Erfüllung ging, der 483 nach dem Ausgange des Befehles (im siebten Jahre des Artaxerxes), also um 26 n. Chr. den Tod erlitt, bestreitet niemand. In der alten lateinischen Übersetzung vor Hieron. war übersetzt: exterminabitur unctio (oder interibit chrisma) Theodotio hat: ……………. Daher haben einige griechische und lateinische Väter dies Versglied nicht von Christus erklärt, anders als Ephr., Hier., Aug., Beda. Jene anderen Väter verstanden die Worte vom Aufhören des Priestertums des Alten Bundes oder von der Zerstörung des Tempels und des jüdischen Reiches. - (37) Zwei Folgen des Todes Christi werden angegeben: Nicht er wird untergehen, sondern Stadt und Heiligtum. Hebr.: Nicht ist etwas für ihn und Stadt und Heiligtum wird verwüsten das Volk eines heranrückenden Fürsten. Die Worte: das ihm verleugnen wird – stammen nicht vom heiligen Hieronymus, sondern sind später in den Text eingesetzt. – Und nicht ihm, was aber? Das vorhergehende Verbum ist zu ergänzen: Nicht ihm wird Verderben daraus entstehen (hat er sich doch durch seinen Tod ewige Herrlichkeit erworben). Diese Erklärung findet in [Jes 53] ihre Bestätigung durch den Übergang von V. 3-9 zu 10.11. Auch [2Mos 22,2] hebr. kommt die hier gebrauchte Wendung vor, wo ausrotten zu ergänzen ist. In der Tat ist es wenig glaublich, dass die Prophezeiung bei dem Tode Christi stehen bleiben sollte. - (38) In dem Weissagungen der Propheten pflegen zeitlich weit auseinander liegende, aber innerlich verbundene Dinge miteinander eng verbunden zu werden. Demnach folgt aus dieser Prophezeiung in keiner Weise, dass die Zerstörung der Stadt und des Heiligtums in die gleiche Zeit fällt wie der Tod des Messias, sondern es genügt, wie Beda schon bemerkt, dass eines die Ursache des anderen ist. Das heranziehende Volk (Heer) sind, wie die Erfüllung zeigt, die Römer. (Tertull., Athanas., Polychr., Isid. Pelus., Beda) - (39) Ihr Ende: Der Sache, um die es sich handelt, also der Stadt und des Tempels. - (40) Hebr.: In Überflutung. Bild der Kriegsfurie. - (41) Der jüdische Staat wird sich aus diesem Sturze nie erheben. Hebr.: Und bis zum Ende findet Kampf und beschlossene Verwüstung statt. Es ist von Gott beschlossen, dass Tempel und Stadt zerstört werden und es auf immer bleiben. (Religionswesen und Staat.) - (42) Es ist jetzt ausdrücklich von der siebzigsten Woche die Rede. Die Güter derselben werden mit recht ein Bund genannt und deren Darbietung eine Bestätigung des Bundes, sind sie doch von Gott verheißen. Dem Abraham verhieß Gott, in ihm alle Völker zu segnen, kraft dieses Bundes ward der Bund am Sinai geschlossen, der ein Vorspiel der verheißenen Güter war. Auch [Hos 2,18; Jer 31,31ff] nennen die Erneuerung des Gottesreiches und die Messianischen Güter Bund, neuen Bund, ja der Messias wird von Isaias vorgestellt als dem Volke zum Bunde zu geben [Jes 49,8]; ähnlich [Ez 37,26] u.a. Die Bekräftigung des Bundes ist also die Stiftung des Messianischen Reiches. (Ephr., Euseb., Basil.) Dies Bündnis wird bekräftigt, weil es nie aufhört. Es ist nicht selten, dass das, was in der Zeit geschieht, als von der Zeit geschehend dargestellt wird; vergl. [Job 3,3.10; Job 30,1.17]. In dieser Zeit wurden die Messianischen Güter gespendet, der Zugang zu ihnen eröffnet. – Zu bemerken ist, dass einige heilige Väter (Iren., Hippol., Afrik., Viktorin., Hilar., Ambros.) die letzte Woche vom Antichrist verstehen, sie von den übrigen trennend. - (43) Die blutigen und unblutigen Opfer des Alten Bundes. Die siebzigste Woche beginnt mit der Taufe Christi, das öffentliche Leben das Herrn umfasst etwa dreieinhalb Jahre (vier Paschafeste). Das erste [Joh 2,13], das zweite [Lk 6,1], das dritte [Joh 6,4] und [Lk 9,10], das vierte ist das Osterfest des Leidens, der Tod Christi, welcher den Alten Bund aufhebt [Roem 7,4], fällt also wirklich in die Mitte der Woche. - (44) Wie in V. 26 an den Tod des Messias die Zerstörung von Stadt und Tempel angeschlossen wird, welche die Folge desselben sind, so wird hier der Abschaffung der alten Opfer die Zerstörung des Tempels und seine Vernichtung auf ewig beigefügt. Ist der einzige Ort, wo die Opfer statthaft waren, nicht mehr vorhanden, so ist es jedem klar, dass auch die Opfer selbst abgeschafft sind. Die Greuel sind die von den Zeloten verübten Frevel und die Aufstellung von Götzenbildern im Tempel durch die Römer, wie die Schändung derselben. (Ephr., Theod.) - (45) Wie V. 26. Die Abschaffung der Opfer soll auch durch die ewig dauernde Zerstörung des Tempels vor Augen gestellt werden. – Der Masor. Text ist (wenn er nicht verdorben ist) in gleichem Sinne zu erklären. – Christus selbst bezieht sich auf die vorliegende Prophezeiung. [Dan 9,27; Mt 24,15; Mk 13,14]
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